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Grob und zart zugleich

Hoffmann, Thonet oder Loos lassen selbst bei absoluten Design-Laien die Erinnerungsglöckchen scheppern, aber was kam dann? Dass heimisches Design auch neben den ganz Großen Aufmerksamkeit verdient, erfahren wir derzeit wieder vermehrt.


TEAM 7 Natürlich Wohnen GmbH, Ried im Innkreis / OÖ, Design: Sebastian Desch, cubus home entertainment Raumteiler, 2012, Holzarten zur Auswahl: Erle, Buche, Kernbuche, Eiche, Kirschbaum, Nussbaum Fronten (Deckplatten), Foto: Team 7

Thonet S 850, Sessel mit Hocker - hoher Sitzkomfort kombiniert mit anspruchsvoller Gestaltung, elegante und bequeme Relaxmöglichkeit im Wohn- und Objektbereich. Foto: Thonet

Nives Widauer; Settle, 2011, Bronzeguss 84 x 192 x 44 cm, Edition 7 Stück, Courtesy Hilger Contemporary, Foto: Sandro Zanzinger

Österreich kämpft sich zurück in eine Branche, die lange Zeit von namhaften Größen aus Italien, Skandinavien, Japan oder den USA geprägt war. Auf dem internationalen Designparkett werden dem Alpenland durchaus gute Chancen eingeräumt. Die vom Designium – New Centre of Innovation in Design der Universität für Kunst und Design in Helsinki – regelmäßig durchgeführte Studie „Global Design Watch“ bestätigt Österreichs stärker werdende Position in der internationalen Design­branche. Die Studie berücksichtigt unter anderem die Verfügbarkeit von Fördermitteln sowie Ziele und Durchführung privater Design-Programme und stuft Österreich in der Wettbewerbsfähigkeit auf Platz sechs gleich hinter Designländern wie Japan, Schweden und Dänemark ein. Dieses Ranking kann sich durchaus sehen lassen, gilt doch beispielsweise dänisches Design als internationale Top-Marke.

Raw and Delicate

Der „Salone Internazionale del Mobile“ in Mailand ist die wichtigste Möbelmesse weltweit und für die Designwelt der jährlich stattfindende Benchmark-Event. Seit einem halben Jahrhundert zieht die bedeutendste Leistungsschau für Design jedes Frühjahr rund 300.000 Besucher in Italiens Kreativmetropole. Bereits zum dritten Mal organisiert die Außenwirtschaft Österreich (AWO) im Rahmen des „Salone Internazionale del Mobile“ eine Sonderausstellung zu österreichischem Möbel- und Produktdesign. Austrian Design – Raw and Delicate – etwa „grob und zart“ – ist das Motto der diesjährigen Österreich-Präsentation, die heuer vom 17. bis 22. April 2012 im La Pelota in Mailand stattfindet. Unterstützt wird die Leistungsschau von go-international – einer Initiative der WKO und des BMWFJ, WIEN PRODUCTS und der Österreichischen Möbelindustrie.
Die Präsentation Austrian Design – Raw and Delicate, die vom Kreativtrio Pudelskern – Nina Mair, Georg Öhler und Horst Philipp – gestaltet wurde, verdeutlicht und vereint Gegensätze, die für Österreichs Landschaft, seine Kultur und sein heimisches Design typisch sind. „Die Alltagstauglichkeit traditioneller Lebensformen, die rauen und beeindruckenden Landschaften, die hochkulturellen Glanzpunkte in unseren urbanen Zentren, die jungen und zielstrebigen Nachwuchstalente, unsere international anerkannten Größen des österreichischen Designs und Österreichs innovative Möbel- und Produkttrends gepaart mit der Könnerschaft des traditionellen Handwerks, das mehrere Generationen zurückreicht, waren für uns die Vorbilder beim Entwickeln des diesjährigen Österreich-Auftritts im La Pelota in Mailand“, so DI Nina Mair und DI Georg Öhler, Geschäftsführende Gesellschafter, Pudelskern.

Handwerk und Industrie

Ausgewählte Wiener Traditionsunternehmen wie Augarten, Lobmeyr oder Wiener Silber Manufactur zeigen stolz ihre zeitgenössischen Designpositionen im Rahmen von Austrian Design – Raw and Delicate und schreiben damit weiter am Kapitel der österreichischen Designgeschichte. Zu den jüngeren Unternehmen, die limitierte Editionen und Kleinserien zeigen, zählen etwa Lichterloh, Neue Wiener Werkstätte oder WOKA, die gleichzeitig die Traditionen fortsetzen und mit innovativem, zeitgenössischem Produktdesign punkten. Aufmerksamkeit erregen auch die feinedinge* Kollektionen aus Porzellan für den Tisch, Wohnaccessoires und Leuchtobjekte, die die Vergangenheit stilvoll neu interpretieren.

Erfinderisch und zeitgemäß

Das Designunternehmen Nofrontiere gilt als Innovator in vielen Designbereichen. Gemeinsam mit Material- und Verfahrensentwicklern hat Nofrontiere nun völlig neue Produktinnovationen auf Basis noch nicht am Markt existierender Materialien entwickelt. Nofrontiere präsentiert etwa einen zu 100 Prozent abbaubaren Pouf sowie ineinander stapelbare Schalen aus Materialien wie Brennnessel und Kaffeesud. Auch das 2011 gegründete Spin-off-Unternehmen der Universität Innsbruck superTEX composites GmbH trumpft mit zeitgemäßem Material auf. Unter der Leitung der Architektin DI Valentine Troi wurde das Material splineTEX® weiterentwickelt. splineTEX® ist eine neuartige Leichtbau-Werkstoff-Technologie, die mittlerweile patentrechtlich geschützt ist. Als höchst erfinderisch gilt auch der Designer Martin Mostböck, der FLAXX, einen Stuhl mit dem Komfort eines Freischwingers und der Funktionalität eines Vierbeiners, entwickelt hat. Die Sitzschale wird aus Naturfasermatten gefertigt und ist zu 100 Prozent recycelbar.

International mit starkem Design

„In den letzten Jahren hat sich die wirtschaftliche Bedeutung des Designs stark gewandelt. Österreichs Möbelhersteller haben früh erkannt, dass die Positionierung durch ein starkes Design ein ausschlaggebender Faktor für den differenzierten Marktauftritt und den internationalen Erfolg ist. Ich freue mich, dass auch 2012 die Topunternehmen der österreichischen Möbelindustrie so zahlreich bei der Präsentation Austrian Design – Raw and Delicate im La Pelota in Mailand mit ihren aktuellen Produkten vertreten sind“, so Dr. Georg Emprechtinger, Vorsitzender der Österreichischen Möbelindustrie und Geschäftsführender Eigentümer von TEAM 7. Österreichische Möbelhersteller arbeiten seit vielen Jahren mit Vollholz, kooperieren mit namhaften bzw. viel versprechenden Designern und behalten immer hohe Qualitäts- und Umweltstandards im Auge. Das macht sie auch auf dem internationalen Parkett wettbewerbsfähig. Dies unterstreichen Unternehmen wie Bene, Eternit, HUSSL, Perludi, TEAM 7, VITEO oder Wiesner-Hager mit innovativen und spannenden Designlösungen für den Wohn- und Bürobereich sowie mit Indoor- und Outdoormöbeln.

Querdenker

Auch einige Querdenker, oft losgelöst von rein zweckgebundenem Design, finden sich in der heimischen Designerlandschaft. Demgemäß nennt das Designlabel airture als Motto „The other side of furniture“. Bei Thomas Feichtner stehen der künstlerische Aspekt und das Experiment beim Entwickeln neuer Designs im Vordergrund, abseits von Globalisierung und Massenproduktion. „Einfache Dinge für komplexe Zeiten schaffen“ lautet das Credo von Kabiljo Inc. Die Objekte des Designunternehmens erinnern beim Betrachten an menschliche Eigenheiten und Obsessionen, aber auch an schlechte Gewohnheiten und kleine Fetische. Als Querdenker fühlen sich auch PPAG architects, die nicht nur im Bereich Architektur tätig sind, sondern auch Möbeldesign prototypisch lösen. Bei der Österreich-Präsentation Austrian Design – Raw and Delicate werden auch die Designerduos mischer’traxler, Polka und Walking-Chair ihre Werke präsentieren. Ihre innovativen Entwürfe im Produkt-, Möbel- und Industriedesign haben bereits internationale Aufmerksamkeit erlangt.
Ob Mailand, Köln oder Wien: Österreichs Designer geben äußerst kreative und sichtbare Lebenszeichen von sich. Und das Schöne dabei: Die Tradition der großen Namen von Anfang des 20. Jahrhunderts wird dabei nicht verleugnet, sondern erhält eine innovative Formgebung mit vielen zeitgemäßen und originellen Aspekten – grob und zart zugleich.              bw

Heimische Designmessen – Pegel für österreichisches Design

  • Wohnen&Interieur: 10.-18. März 2012, Messe Wien. Österreichs größte Messe für Wohn(t)räume, Design, Accessoires, Home Entertainment und Garten.
    Mit internationalen Wohn- und Gartentrends. www.wohnen-interieur.at
  • design messe linz: 5.-7. April 2012, Design Center Linz. Innenarchitektur & Lifestyledesign, Industriedesign, Sonderthema Kunst. www.designmesse.at
  • Wohndesign®: 11.-14. Oktober 2012, Hofburg, Wien. 17. Festival des Wohnens. www.wohndesign-vienna.at
  • Blickfang: 19.-21. Oktober 2012, MAK Wien. www.blickfang.com
  • Vienna Design Week: www.viennadesignweek.at
  • Salone Internazionale del Mobile, La Pelota, Mailand/Italien: Austrian Design – Raw and Delicate, 17.-22. April 2012. www.kunstpresse.at/raw-delicate/

Rückblende – die imm cologne 2012

Von 16. bis 22. Jänner 2012 fand die imm cologne, eine der wichtigsten europäischen Messen für Wohnen und Möbel, in Köln statt. Sieben Tage lang zeigten 1.157 Unternehmen aus 54 Ländern die Einrichtungstrends des kommenden Jahres. Die imm cologne 2012 gilt mit geschätzten 115.000 Besuchern als voller Erfolg, was das ungebrochene Interesse an Wohndesign eindrucksvoll unterstreicht.
Einrichten ist heute untrennbar mit Textilien, Tapeten und Teppichen verbunden. So werden Möbel und dekorative Stoffe, Tapeten und Bodenbeläge sehr oft zusammen ausgewählt. Auf der imm cologne kommen diese Welten perfekt zusammen. Mit Pure Textile im letzten Jahr und dem neuen Format LivingInteriors in diesem Jahr hat die Messe konsequent die Weiterentwicklung der imm cologne als Einrichtungsmesse fortgesetzt. Das neue Messeformat zeigte erstmalig zusammen mit der imm cologne perfekt inszenierte Einrichtungswelten aus Möbeln, Bad, Boden, Wand und Licht.

Die Trends 2012

  • Das große Trendthema heißt Natur. Naturelle und natürliche Materialien strahlen Ehrlichkeit und Authentizität aus. Möbel aus Massivholz und Furnier sind ebenso beliebt wie der Parkettfußboden. Bei den Bezugsstoffen kommt echtes Leder und viel Wolle und Wollfilz, gern auch in Strick.
  • Möbel werden kleiner. Immer mehr Singles wohnen auf kleinerem Wohnraum und brauchen zierliche und multifunktionale Möbel. Durch die Verschmelzung der Wohnbereiche müssen Möbel leicht und flexibel sein, denn sie werden immer dort eingesetzt, wo sie gerade gebraucht werden und bleiben nicht über Jahre am selben Ort stehen. Dazu gehören kleinere Polstermöbel, aber auch kleine Schreibtische und Sekretäre, denn die verwendete Kommunikationstechnik wird auch immer kleiner.
  • Wohnwände werden immer kompakter und schmaler. Das klotzige TV wurde mehr und mehr durch den eleganten Flachbildschirm abgelöst und durch die Digitalisierung von Informationen braucht der zeitgenössische Kunde nicht mehr so viel Stauraum. LED Lichttechnik ist bei der Möbel- und Einrichtungsbranche angekommen und schafft neben energiesparsamer Beleuchtung auch gerne viel farbliche Atmosphäre.

Die nächste imm cologne findet von 14. bis 20. Jänner 2013 statt.
www.imm-cologne.de

Magie der Vielfalt

Das MAK als angewandter Raum der Zukunft
15. Februar 2012 bis 25. März 2012, MAK-Ausstellungshalle
Christoph Thun-Hohenstein, der neue Direktor des Museums für Angewandte Kunst, möchte das Profil seines Hauses schärfen und einem breiteren Publikum Lust machen auf Angewandtes. Mit ungewöhnlichen Methoden verführt die Arbeitsausstellung Magie der Vielfalt. Das MAK als angewandter Raum der Zukunft zur intensiven Auseinandersetzung mit der Sammlung des MAK und ihrer Bedeutung für das zeitgenössische kulturelle Schaffen. Die Kustoden des Museums untersuchen in dieser sammlungsübergreifenden Arbeitspräsentation der Bereiche angewandte Kunst und Design, Architektur sowie Gegenwartskunst kulturelle Entwicklungen und thematische Schwerpunkte in Relation zu Schlüsselwerken der historisch gewachsenen Sammlung.
Schwerpunktthemen sind etwa Metall und Wiener-Werkstätte, Textilien und Teppiche, Design, Möbel und Holzarbeiten oder Gegenwartskunst.


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