Gesunde Dividenden
Gesundheitsaktien sind nach wie vor ein vielversprechendes Investment: Die großen Pharmafirmen glänzen mit attraktiven Dividendenrenditen, die Biotech-Companies mit Kurschancen.
Healthcare-Aktien bringen seit Jahren einen ordentlichen Turbo ins Portfolio. Obwohl sie seit ihren Höchstkursen Mitte 2015 wesentlich stärker korrigierten als der Gesamtmarkt, konnte man sich über die letzten fünf Jahre per saldo über Kursgewinne von rund 135 Prozent freuen, bei Biotech-Aktien gar über knapp 180 Prozent verglichen mit knapp 40 Prozent gemessen am Weltaktienindex MSCI World.
Für Anleger stellt sich nun die Frage: Wie stehen die künftigen Ertragschancen für Investments im Gesundheitssektor und wie sollte man sich am besten positionieren? Die Antwort ist klar: Wer keine allzu großen Risken eingehen will, setzt vorzugsweise auf die großen, etablierten Pharmaunternehmen. Sie bieten überdurchschnittliche Dividendenrenditen von drei bis vier, mitunter gar bis zu knapp sechs Prozent, also entscheidend mehr als man mit Sparbüchern oder Anleihen bonitätsstarker Emittenten derzeit verdienen kann. Wer vor allem auf Kursgewinnchancen reflektiert, ist in Aktien von Biotech-Unternehmen oder Gesundheitsdienstleistern besser aufgehoben.
Norbert Janisch, Fondsmanager der Raiffeisen Healthcare-Aktien, führt die rezente Underperformance von Gesundheitsaktien gegenüber dem Gesamtmarkt auf mehrere Gründe zurück: „Aussagen der US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die Medikamentenpreise stärker regulieren zu wollen, verschreckten viele Anleger.“ Dazu komme, dass insbesondere im größten Gesundheitsmarkt USA die Medikamentenpreise stärker unter Druck geraten, „weil die Regierung für ihre Medicare- und Medicaid-Programme zunehmend höhere Rabatte verlangt“. Zudem sind Übernahmen neuerdings schwieriger geworden: Transaktionen, die den Wettbewerb deutlich einschränken, werden von den Kartellbehörden strenger geprüft. Transaktionen mit vorwiegend steuerlichem Hintergrund sind mittlerweile kaum mehr möglich. Fazit: Die Ende November angekündigte 160-Milliarden-US-Dollar-Fusion der amerikanischen Pfizer mit der im Niedrigsteuerland Irland domizilierten Allergan ist inzwischen wieder geplatzt.
Fondsmanager Janisch hält die gegenwärtige Schwächephase von Gesundheitsaktien dennoch für eine gesunde Korrektur: „An den längerfristigen positiven Aussichten hat sich nichts geändert.“ Denn das Thema Gesundheit zählt weltweit weiterhin zu den führenden Megatrends: Immer mehr Menschen werden immer älter und benötigen mehr Medikamente. In den Emerging Markets wird die Nachfrage nach medizinischen Leistungen durch den Ausbau der staatlichen Gesundheitssysteme, steigenden Wohlstand, aber auch die Übernahme westlicher Zivilisationskrankheiten wie Fettleibigkeit oder Diabetes angekurbelt. Der große Motor im Gesundheitssektor ist freilich die innovative Forschung und Entwicklung neuartiger bahnbrechender Wirkstoffe. „Das Innovationstempo ist ungebrochen hoch. Weltweit sind mehr als 7.000 Medikamente in Entwicklung, davon rund ein Viertel im Bereich Onkologie sowie jeweils knapp ein Fünftel auf den Gebieten Neurologie und Infektionen“, erklärt Harald Schwarz, geschäftsführender Gesellschafter von Medical Strategy und Fondsmanager des FCP OP Medical BioHealth-Trends. „Knapp 20 Prozent befinden sich in Phase III-Forschung beziehungsweise Zulassung, mehr als 40 Prozent in Phase II.“
Neu lancierte Biotech-Medikamente erreichen inzwischen Milliarden-Umsätze, allen voran die Hepatitis-C-Wirkstoffe Sovaldi und Harvoni von Gilead mit mehr als 15 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz. „Die Umsätze im Biotech-Sektor wachsen im Schnitt jährlich um rund zwölf Prozent“, konstatiert Silvia Schanz, Investor Relations-Managerin der Schweizer Beteiligungsholding BB Biotech. „Ein ähnlich großes Wachstum verzeichnet auch der Generika-Sektor. Medizintechnikunternehmen kommen dagegen nur auf mittlere einstellige Wachstumszahlen und Pharmaunternehmen im Schnitt sogar nur auf niedrige einstellige Umsatzzuwächse.“
Defensiv und dividendenstark
Die führenden Pharmakonzerne bieten Anlegern dafür dank sprudelnder Gewinne ansprechende Dividendenrenditen (= Ausschüttungen bezogen auf den Aktienkurs). „Die Dividenden von Pharmaunternehmen sind relativ sicher und in Zeiten minimaler Sparbuchzinsen attraktiv“, betont Janisch von Raiffeisen. Sie liegen aktuell meist zwischen drei und vier Prozent, mitunter auch darüber. Unter den Top 10 Unternehmen gemessen am Umsatz bietet GlaxoSmithKline mit 5,4 Prozent die höchste Dividendenrendite, gefolgt von AstraZeneca mit 4,7 Prozent und Sanofi mit 3,9 Prozent. Bei GlaxoSmithKline verrät allerdings ein Blick auf Gewinnentwicklung, Dividendenhistorie und Ausschüttungsquote, dass das britische Unternehmen in den vergangenen Jahren mehr ausgeschüttet als verdient hat, um die Dividende nicht kürzen zu müssen. Nach mehrjähriger Stagnation scheint sich die Situation des Unternehmens allmählich zu verbessern. Der Tausch seiner Onkologie-Sparte gegen das Impfstoffgeschäft von Novartis sollte sich mittel- bis langfristig ebenfalls positiv auswirken.
Der britische Pharmakonzern AstraZeneca hat nach rückläufigen Umsätzen bedingt durch Patentabläufe wieder eine interessante Pipeline aufgebaut und sein Engagement in der Krebsimmuntherapie verstärkt. Mit der Übernahme einer Mehrheitsbeteiligung an dem jungen niederländischen Biotechunternehmen Acerta Ende letzten Jahres erwarb AstraZeneca einen erfolgversprechenden Produktkandidaten zur Behandlung der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL). Für 2017 sind wieder Umsatzzuwächse zu erwarten und in der Folge auch wieder steigende Dividenden.
Für den französischen Pharmakonzern Sanofi trägt die jahrelange enge Kooperation mit dem US-Biotechunternehmen Regeneron, an dem er zudem eine 22-Prozent-Beteiligung hält, Früchte: Mit der Zulassung des Cholesterinsenkers Praluent der neuen Wirkstoffklasse PCSK-9 Inhibitoren Mitte letzten Jahres gelang ein durchschlagender Erfolg in der Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen. Die Lancierung des neuen Langzeitinsulins Tourjeo gegen Diabetes im Vorjahr soll dem Patentverlust für den Hauptumsatzträger Lantus entgegenwirken. Gemeinsam mit dem österreichischen Biotech-Unternehmen Apeiron und dem deutschen Wirkstoffforschungs- und -entwicklungsunternehmen Evotec will Sanofi neuartige niedermolekulare immunonkologische Therapien entwickeln.
Solide Marktführer
Die Pharmagiganten Johnson & Johnson, Roche, Novartis und Pfizer kommen zwar in der Höhe ihrer Dividendenrenditen nicht ganz an die drei zuvor genannten Unternehmen heran, bieten jedoch durch die Kombination von erfolgreichen Medikamenten auf dem Markt und hoher Innovationskraft im Anlegerportfolio einen angenehmen Ruhepolster. Der weltgrößte Gesundheitskonzern Johnson & Johnson mit seinen Standbeinen Pharma, Medizintechnik und Konsumgüter/Pflegeprodukte pflegt seit Jahrzehnten ein besonderes Ritual: Zu Beginn jedes Geschäftsjahres hebt der Vorstand erst die Dividende an und legt dann fest, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Das Ergebnis überzeugt: Seit mehr als 50 Jahren hat der US-Konzern sein Versprechen eingehalten und eine steigende Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet.
Die Schweizer Roche erhöhte zumindest in den vergangenen zehn Jahren ihre Dividende Jahr für Jahr. Genau genommen ist Roche heute das weltweit größte Biotech-Unternehmen, nachdem sie 1990 einen kontrollierenden Anteil und 2009 noch die Minderheitsanteile an der kleinen US-Biotechschmiede Genentech erworben hatte. Damit avancierte Roche zum führenden Anbieter in der Krebsmedikation. Das zweite große Standbein sind Diagnostika. Mit dem Patentablauf bei wichtigen Wirkstoffen steht Roche zwar vor der Herausforderung, das Produktportfolio zu erneuern. Bislang scheint das gut zu gelingen. Insbesondere in der Immuntherapie mithilfe der Anti-PD-1/PDL-1 Checkpoint-Inhibitoren rechnet sich Roche gute Chancen aus. In diesem Sektor zählt sie neben Bristol-Myers Squibb (BMS), Merck & Co, Novartis, AstraZeneca und Pfizer (in strategischer Allianz mit der Darmstädter Merck KGaA) zu den Branchenführern. Im Bereich Multiple Sklerose, Hämophilie, Lungenfibrose und Alzheimer will sie künftig eine führende Rolle spielen.
Im Gegensatz zu Roche ist der andere große Schweizer Pharmakonzern Novartis deutlich breiter aufgestellt: Im Zentrum stehen Herz- und Immunkrankheiten, neurologische Leiden und Krebs. Arrondiert wird das Portfolio durch Generika (Sandoz) und diverse Produkte im Bereich der Augenheilkunde (Alcon). Mit dem Tausch ihrer Impfstoff- gegen die Onkologieaktivitäten von GlaxoSmithKline hat Novartis ihre Krebssparte deutlich gestärkt. Die Ablösung der vom Patentablauf betroffenen, bislang wichtigen Medikamente Diovan und Glivec soll dank der Zulassung zweier neuer Medikamente mit hohem Umsatzpotenzial – Cosentyx, eine neue Substanzklasse gegen Psoriasis, und Entresto gegen chronische Herzinsuffizienz – gelingen. Die Markteinführung von Entresto erfolgt jedoch schleppender als erwartet. Die Pipeline für neue Wirkstoffe ist zwar gut gefüllt, die Augenheilsparte schwächelt jedoch schon seit Längerem.
US-Größen, Biotechs & Co
Pfizer, Merck & Co, AbbVie und Eli Lilly zählen ebenfalls zu den verlässlichen Dividendenzahlern. Pfizer kommt nach der geplatzten Fusion mit Allergan nicht zum erhofft niedrigeren Steuersatz. Die geplante Aufspaltung in innovative und etablierte Produkte dürfte dennoch aktuell bleiben. In der Pipeline befinden sich zwar ein paar durchaus interessante Produkte, fraglich ist allerdings, ob sie ausreichen, um mittelfristig das Umsatzwachstum zu sichern. Merck & Co, AbbVie und Eli Lilly sind trotz Patentabläufen dank vielversprechender Forschungsprojekte wesentlich besser aufgestellt.
Inzwischen schütten auch einzelne Biotech-Unternehmen wie Amgen oder Gilead Sciences Dividenden aus. Bei den meisten bereits profitablen Biotech-Companies wie Biogen oder Celgene steht die Reinvestition von Gewinnen in die eigene Forschung jedoch nach wie vor im Vordergrund. Aber auch Healthcare-Unternehmen aus den Sparten Medizintechnik oder Dienstleister fallen nicht durch hohe Dividendenrenditen auf.
In Einzeltitel zu investieren, ist mitunter mühsam und zehrt an der vermeintlich hohen Dividendenrendite: US-Unternehmen schütten ihre Dividenden meist quartalsweise aus. Geht es um geringe Beträge, dann fallen auf heimischen Depots möglicherweise Mindestspesen an, die einen Teil der Ausschüttung wieder zunichte machen. Dazu kommt, dass man sich eine zu viel bezahlte ausländische Quellensteuer nur über ein aufwendiges, bürokratisches Verfahren zurückholen kann.
Fazit: Wer sich derartige Unannehmlichkeiten sparen und keine Einzelrisken eingehen will, greift lieber zu einem breit gestreuten Gesundheitsfonds oder zur Aktie der Schweizer Beteiligungsholding BB Biotech. „Sie bietet in der Regel eine Dividendenrendite von rund fünf Prozent“, betont Investor Relations Managerin Silvia Schanz. emb