Generation Y: Querdenker oder Quengler?
In den Achtzigern geboren, mit Neuen Medien groß geworden und gewohnt, alles zuerst einmal infrage zu stellen – das Zusammenarbeiten mit den Vertretern dieser Generation, den sogenannten „Millennials“, der „Generation Y“ oder „Digital Natives“, ist eine Herausforderung für Führungskräfte und Kollegen.
Laut einer Studie der Managementberatung KPMG sagen mehr als zwei Drittel der von ihnen befragten Unternehmen, dass sie die jungen Menschen, von denen hier die Rede ist, auf jeden Fall besser verstehen wollen! Kein Wunder, sind doch die 20- bis 30-Jährigen genau jene, die heute zunehmend in das Arbeitsleben einsteigen und damit den Arbeitsalltag wesentlich mitbestimmen.
Neue Qualitäten im Berufsleben
„Das ist so und das haben wir schon immer so gemacht“ – damit ist selten ein Vertreter einer älteren Generation bei einem Jüngeren gut angekommen und erst recht nicht bei der Generation Y. Betrachtet man das Lebensumfeld, wird auch rasch klar, warum das so ist: Entscheidungen zu treffen ist für einen Y-Vertreter quasi überlebenswichtig. Aufgewachsen im Kommunikationszeitalter gilt es, mit dem Überfluss an Informationen, Medienangeboten und daraus resultierenden Wahlmöglichkeiten zurechtzukommen.
Rasches Navigieren in einer sehr komplexen Welt hat dazu geführt, dass junge Menschen mit der Frage nach dem Warum und „Was bringt mir das?“ diese Komplexität aber ganz einfach reduzieren können, ihre eigenen Bedürfnisse gnadenlos in den Mittelpunkt stellen und damit völlig neue Qualitäten ins Berufsleben bringen, die selten eine Generation davor derart gekonnt beherrscht hat. In Zeiten des Ärztemangels bringt diese Generation gerade in den Gesundheitseinrichtungen eine zusätzliche Dynamik in die ohnehin schon angespannte Personalsituation: „Mehr zu leisten und weniger zu verdienen kommt für die junge Generation praktisch nicht in Frage. Die jungen Kollegen sind weitaus weniger bereit, sich überfordern zu lassen, als wir es in unserer Ausbildungszeit waren“, bestätigt Primar Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz, Leiter der Klinischen Abteilung für Nephrologie am LKH Universitätsklinikum Graz und dritter Vizepräsident und Bundesländervertreter Steiermark des Verbandes leitender Krankenhausärzte Österreichs.
Diese Entwicklung hat durchaus ihr Gutes, birgt aber auch Risiken: „Das Selbstbewusstsein der jungen Generation, ihre eigenen Grenzen früh und deutlich abzustecken, ist natürlich einerseits sehr gut, bringt aber andererseits Konflikte in Teams und stellt zusätzliche Anforderungen an Führungskräfte in einem ohnehin schon angespannten Setting“, so Rosenkranz.
Für viele „traditionelle“ Arbeitnehmer und Führungskräfte wirkt es, als könnte sich dieser Nachwuchs nur schwer an Regeln halten und würde nur dann kooperativ im Team arbeiten, wenn auch ein erkennbarer (Eigen-) Nutzen aus jeder Handlung folgt. Es liegt nahe, dass die Digital Natives daher oft auch als egoistisch, oberflächlich und selbstzentriert eingestuft werden. Doch genau genommen ist es nur eine wirksame Strategie, das Risiko einer falschen Entscheidung in Beruf und Alltag gut und rasch in den Griff zu bekommen und den passenden Weg durch das Dickicht an – zugegeben vielen verlockenden – Angeboten zu finden.
Tipps für ein gutes Miteinander
Es hat Tradition, dass junge Menschen immer anders werden wollten als ihre Vorgängergeneration und auf keinen Fall so wie die eigenen Eltern. Was jedoch die in die Jahre gekommene Vertreter der Babyboomer-Zeit (in den 1960er-Jahren) oder der Generation X (in den 70er-Jahren) von den Digital Natives unterscheidet, ist, dass sie meist nach der Sturm- und Drangzeit dann doch irgendwann zu einem gleichmäßigen Lebensrhythmus und traditionellen Werten gefunden haben. Erstmals scheint aber nun eine Generation heranzuwachsen, die dieses Muster durchbricht. Die Auswirkungen auf das Arbeitsleben, Personalisten, Führungskräfte und letztendlich Kollegen sind enorm, denn sie müssen lernen, dass die Schwachstellen dieses Verhaltens keine vorübergehenden „Jugendsünden“ sind, sondern zunehmend auch die kommenden Generationen prägen werden.
Es ist daher an der Zeit, den richtigen Umgang mit der Spezies „Y“ zu lernen: Sie sind bereit, im Arbeitsleben viel zu leisten, jedoch fordern sie ebenso viel an Freiheit, Flexibilität und eine besonders breite Komfortzone. Beschränkungen im Zugang zu Neuen Medien, fixe Strukturen und unflexible Verhältnisse – das „geht gar nicht“.
Feedback nur einmal jährlich ist Schnee von gestern. Millennials brauchen Anerkennung, Motivation, Spaß und Entertainment – und das sofort und immer. „Wir leben in einer Zeit, in der die Patienten anspruchsvoller werden, jetzt auch die jungen Kollegen vermehrt Aufmerksamkeit einfordern, da bleiben dann die alten Hasen schon manchmal auf der Strecke“, beschreibt Rosenkranz seine Beobachtungen.
Die „Verweiblichung“ der Medizin
Der Frauenanteil an der heimischen Ärzteschaft ist nach Angaben der Österreichischen Ärztekammer allein zwischen 2001 und 2011 von 38 auf 45 Prozent gestiegen. Nach einem kontinuierlichen Anstieg in den vergangenen 30 Jahren sind mittlerweile rund 63 Prozent der Medizinabsolventen weiblich, woran sich Prognosen zufolge auch bis etwa 2030 nichts ändern wird. Mehr als die Hälfte aller Spitalsärzte und ein Drittel aller niedergelassenen Ärzte sind weiblich. „Gepaart mit den Ansprüchen der Generation Y heißt das für Dienstgeber, dass neue Arbeitszeitmodelle, flexible Anstellungsverhältnisse und mehr Teilzeit- oder Kinderbetreuungsangebote sowie die Unterstützung des Wiedereinstiegs nach der Karenz gefragt sind, um überhaupt als Dienstgeber noch attraktiv zu sein“, ist der VLKÖ-Vertreter überzeugt.
Zudem führt die „Verweiblichung“ der Medizin auch zu einer Verlagerung der Fachrichtungen: Immer mehr konzentrierten sich auf die Allgemeinmedizin und Fachrichtungen wie Gynäkologie, Dermatologie oder Radiologie, während sich nur wenige angehende Ärztinnen für die chirurgischen Fächer interessierten.
Mobil, innovativ und risikobereit
Ihre Loyalität zu einem Unternehmen ist nicht übermäßig langlebig, sobald diese Triggerfaktoren nachlassen. Das führt zu enorm hoher Mobilitätsbereitschaft, denn Freunde hat man ohnehin überall auf der Welt. Soziale Netze spielen sich nicht länger am Arbeitsplatz oder Wohnort ab, sondern in der digitalen Welt. Sie sind daher beständiger, unabhängig davon, wo und wie gearbeitet wird. Die „innere Kündigung“ gibt es nicht, denn so lange warten „Ys“ nicht auf Veränderungen. Sie werden aktiv, sobald die Komfortzone keine mehr ist.
Auf der anderen Seite nutzen sie neue Technologien, als wäre es eine Zahnbürste für den täglichen Gebrauch. Der Vorteil, den Unternehmen nutzen können, liegt auf der Hand: Millennials sind extrem wissensdurstig, innovativ und risikobereit!
„Wir hätten uns wohl nie hinterfragen getraut, ob ein Stethoskop noch zeitgemäß ist, wenn ein Ultraschall in die Kitteltasche passt. Bei der jungen Generation kommen solche Anforderungen aber ganz selbstverständlich und werden dazu führen, dass in vielen Punkten an den Grundfesten des Gesundheitssystems gerüttelt wird. Das bringt eine Entwicklung in Gang, deren Richtung zwar noch nicht klar absehbar ist, die sich aber eine Reihe von Chancen für Ärzte und Patienten gleichermaßen offenhält“, so Rosenkranz.
Und dass sie wahre „Freizeitoptimierer“ sind, muss auch im richtigen Licht betrachtet werden. Eine ausgewogene Work-Life-Balance steht im Vordergrund ihres Handelns und die eigenen Bedürfnisse auch im Job ganz oben. Hier liegt klares Lernpotenzial für die ältere Generation: Schauen Sie sich etwas ab von einer Leistungsbereitschaft mit Maß und Ziel, ohne dabei die eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen. rh
Der VLKÖ
Der VLKÖ ist die Plattform leitender Ärzte im Gesundheitswesen. Sie hat engen Kontakt zu über 1.500 Ärzten in Führungsposition und vertritt deren Anliegen und Interessen. Eines der Hauptanliegen des Verbandes ist es, gesundheitspolitische Themen voranzutreiben, um neue, dringend benötigte Lösungsansätze für Probleme, mit denen sich Primarärzte im Berufsalltag konfrontiert sehen, zu diskutieren und so auch zu Verbesserungen beizutragen. Die Mitglieder des VLKÖ verfügen über hohe fachliche Expertise und Kompetenz hinsichtlich ihrer Organisation und über sehr gute Kenntnis des österreichischen Gesundheitswesens. Damit stellt der Verband eine informative Plattform von Primar- und OberärztInnen dar. Durch die enge Zusammenarbeit mit allen wichtigen medizinischen Fakultäten, Akademien und Gesundheitsinstitutionen hat der Verband einen weitreichenden Einblick in das ärztliche Gesundheitswesen der Krankenhäuser und arbeitet stets auch an einer soliden Zusammenarbeit mit der niedergelassen Kollegenschaft.
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