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Gedächtnistraining als tägliche Routine

Namen, Zahlen oder Aufgaben zu vergessen kann nicht nur unangenehme, sondern sogar sehr einschränkende Folgen haben. Mnemotechnik – Methoden, um sich Dinge leichter zu merken – wirkt dem entgegen und kann ohne großen Aufwand in den Tagesablauf integriert werden.


Dr. Luise M. Sommer, Gedächtnistrainerin und Buchautorin.

Wer zu viel um die Ohren hat, vergisst schon mal die eine oder andere Sache. So mancher hilft sich mit Listen, die einfach alles umfassen, was leicht zu vergessen oder besonders wichtig ist – Geburtstage, Einkaufslisten, Erledigungen, Botengänge, Hausarbeiten, Amtswege und noch viel mehr. Eine strategisch bessere Lösung stellen Gedächtnisübungen dar, die nicht nur das Vergessen auszuschalten suchen, sondern die grauen Zellen trainieren wie andere ihren Bizeps im Fitnessstudio. Wird das Training zur Selbstverständlichkeit, sind „Kopfwerker“ den Vergesslichen immer einen Schritt voraus.

Use it or lose it

Gefeit ist letztlich niemand davor vergesslich zu werden. „Ich denke, eine der größten Herausforderungen für Ärzte besteht darin, in der Informationsflut, die sie täglich umgibt, einen klaren Kopf zu behalten“, meint auch Dr. Luise M. Sommer, Gedächtnistrainerin und Buchautorin. Sommer ist zweifache österreichische Gedächtnismeisterin, Grand Master of Memory und hält einen Weltrekord im Guinness Buch der Rekorde. „Kreatives Gedächtnistraining nach der LMS-Methode, so wie ich es betreibe, kann dabei helfen, sich die wesentlichen Dinge zu merken und auf Abruf parat zu haben.“ Freilich gesteht uns auch die Expertin zu, dass die „digitalen Helfer“ Smartphone & Co viele Gefahren des Vergessens abfangen können. Ratsam ist es wohl aber nur bedingt, sich von den „elektronischen Gehirnen“ abhängig zu machen. „‚Use it or lose it‘ gilt nicht nur für die Muskeln in unserem Körper, sondern auch für unser Gehirn“, warnt die Expertin.
Vergesslichkeit nicht bloß als Symptom von beginnender Demenz zu betrachten, sondern gezielt und mit Spaß an der Sache gegenzusteuern, bringt jedenfalls einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität. Denn niemand fühlt sich gut dabei, wenn er Menschen begegnet, deren Namen er kennen sollte, Telefonnummern vergisst, weil sie ohnehin immer gespeichert sind oder Einkaufslisten mit mehr als drei Positionen generell notieren muss.

Patientennamen wissen statt nachschlagen

LMS-Gedächtnistraining ist nichts anderes als „Denken in Bildern“. „Ich plädiere dafür, es am besten in den medizinischen Alltag einzubauen, wo immer es geht – sei es, um sich Namen von Patienten zu merken, neue Fachbegriffe zu lernen oder die wichtigsten Termine nicht nur in Outlook, sondern auch im Kopf zu haben“, schlägt Sommer vor.
Ein konkretes Alter, ab wann Gedächtnistraining ratsam wäre, um Demenz vorzubeugen, will Sommer nicht nennen. Der richtige Zeitpunkt sei gekommen, „sobald Sie das subjektive Gefühl haben, dass Sie sich weniger (leicht) Dinge merken“. Der Abbau von Synapsen, jener wichtigen Kontaktstellen im Gehirn, beginnt bereits mit 30 Jahren oder noch früher. „Die gute Nachricht: Es ist nicht notwendig, nun mit – sündteuren – Gehirnjogging-Programmen am PC oder stundenlangem Sudoku-oder Kreuzworträtsel-Lösen dagegenzusteuern“, räumt die Gedächtnismeisterin ein und schlägt vor: „Trainieren Sie in Ihrem Berufsalltag und halten Sie sich dabei an meine ABCD-Regel:

  • A – wie sämtlichen Tätigkeiten mehr Aufmerksamkeit widmen nach dem Motto ‚Tue das, WAS du tust‘. Geteilte Aufmerksamkeit = halbes Gedächtnis!
  • B – wie in Bildern denken, wenn es um bestimmte Memorierleistungen geht
  • C wie Challenge: Offen sein für neue Herausforderungen; bereit sein, immer wieder dazuzulernen und sich das Wichtigste zu merken (siehe B)
  • D – wie ‚Daily exercise‘. Versuchen Sie, möglichst täglich eine kleine sportliche Einheit unterzubringen – auch Stiege statt Lift zählt hier! Es gilt als erwiesen, dass alles, was man für seine körperliche Fitness tut, auch der geistigen Beweglichkeit zugutekommt.“

„Ich habe ein Gedächtnis wie ein Nudelsieb“, ist schlichtweg keine wirklich gute Ausrede, denn das lässt sich steuern. Die Mnemotechnik, wie sie Luise Sommer präsentiert, kann mehr als reines Gehirnjogging, sie ist ein ganzheitliches Konzept, das Aufmerksamkeit und Achtsamkeit erhöht und Wissensgewinn zum Vergnügen macht. Sommer stellt in ihrem Buch hilfreiche Übungen vor, bietet aber auch Seminare an, um ihr Wissen und ihre „Tricks“ weiterzugeben. Der Arzt, der seinen Patienten überall, wo er ihm begegnet, mit Namen begrüßen kann, seltene Fachbegriffe auch nach einmaligem Lesen intus hat und statistische Zahlen annähernd richtig wiedergeben kann, hat jedenfalls sein Erinnerungsvermögen auf Vordermann gebracht. Und noch einen Tipp hält Luise Sommer abschließend bereit: „Den Satz ‚Ich darf das nicht vergessen‘, den hab ich gestrichen und durch ‚Das merke ich mir!‘ ersetzt. Mein Tipp: Ärgern Sie sich nicht, falls Sie mal was vergessen... Sehen Sie auf Ihre ‚Haben-Seite‘, nicht auf die Mängel – und Sie werden erleben: Merken ist auch Einstellungssache.“

Eine Gedächtnisübung für Ärzte von Dr. Luise Sommer: Namen merken!

  • „Ein Name ist nichts Geringes“, schrieb Johann Wolfgang v. Goethe. Wenn ich mich des Namens eines Menschen annehme, um ihn mir bewusst zu merken, signalisiere ich damit, dass ich den Namensträger für bemerkenswert halte – ein für beide Seiten wohltuender Gedanke im täglichen (oft so gedankenlosen) Miteinander.
  • Ein gutes Namensgedächtnis beginnt im Moment des Kennenlernens. Schenken Sie dem Menschen, dessen Namen Sie sich merken möchten, Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Scheuen Sie sich nicht nachzufragen, wenn Sie den Namen nicht genau verstanden haben. Niemand wird daran Anstoß nehmen – gehört doch der eigene Name zu den „Lieblingsvokabeln“ jedes Menschen. Außerdem gibt Ihnen dieses Nachfragen („War das nun Maria Bayer oder Mayer?“) die Möglichkeit, den Namen bereits selbst einmal auszusprechen – was Sie im Verlaufe des Gespräches ohnehin noch öfter machen sollten.
  • In diesem ersten bewussten Wahrnehmen des Namens verbirgt sich bereits die Wurzel eines erfolgreichen Namensgedächtnisses. Wir könnten in diesem Zusammenhang einiges von den (für ihre Höflichkeit bekannten) Japanern lernen: Diese werden eine ihnen überreichte Visitenkarte immer aufmerksam studieren und den Namen aussprechen (und nicht achtlos wegstecken, wie das bei uns manchmal zu sehen ist).
  • Stellen Sie sich folgende drei Fragen: Welches Bild kann ich mir zum Namen machen? Welches Merkmal fällt mir an diesem Menschen auf? Welche (auch absurde, komische) Verknüpfung zwischen „Namensbild“ und Merkmal ergibt sich daraus für mich als „Hilfsbrücke“? So können Sie einer Sandra etwas „Sand ins Haar“ streuen oder bei einem Herrn Pizzera spontan an eine Pizza denken. Achten Sie jedoch auf positive Assoziationen – so schenken Sie sich und dem anderen gute Gedanken (= Energie).
  • Das Wichtigste (nicht nur) in diesem Zusammenhang ist das Wollen. Genau so, wie wir letztendlich nur das lernen, was wir lernen wollen, erinnern wir uns nur an Dinge und Menschen, an die wir uns erinnern wollen.


www.LMS-Training.at, www.luise-maria-sommer.at

Lesestoff

Luise M. Sommer, Gutes Gedächtnis leicht gemacht: Die besten Merktipps von A bis Z.
Alter und gutes Gedächtnis – absolut kein Widerspruch. Namen und Gesichter – ab jetzt dauerhaft gespeichert. Zahlen merken – kein Problem
Hubert Krenn Verlag, 5. Auflage 2003, 9783902351197