Externer Nachschub
Übernahmen, Kooperationen, Einlizensierungen, Abspaltungen oder Verkäufe sind probate Rezepte in der Gesundheitsbranche, um Patentabläufen entgegenzuwirken, Innovationen voranzutreiben, die Pipeline aufzumunitionieren oder einfach die Rentabilität zu verbessern.
Der Ablauf von Patenten für Blockbuster bedeutet für Pharmakonzerne den Verlust von Milliardenumsätzen. Allein in den nächsten vier Jahren bis 2020 belaufen sich die potenziellen Umsatzeinbußen der weltweiten Pharmaindustrie aufgrund auslaufender Patente laut Evaluate-Pharma auf mehr als 120 Milliarden US-Dollar. Nachdem die Entwicklung eines neuen Medikaments bis zur Marktreife meist zehn Jahre dauert und rund eine Milliarde US-Dollar verschlingt, ist es für klassische Pharmaunternehmen oft kostengünstiger und effizienter, kleinere Unternehmen mit guter Pipeline zuzukaufen als große Summen in Grundlagenforschung zu investieren. Der Erwerb von Produktlizenzen und Übernahmen wurde daher zum Dauerbrenner im Gesundheitssektor. Am meisten umkämpft ist der am raschesten wachsende Bereich Onkologie, gefolgt von Diabetes und Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose, Rheumatoide Arthritis, Psoriasis und Morbus Crohn.
Ein typisches Fallbeispiel für die Verwandlung eines Unternehmens durch M&A (Merger & Acquisition) ist der US-Konzern Pfizer: 1990 erst die Nummer 14 innerhalb der Branche, avancierte er durch die Fusion mit Warner-Lambert im Jahr 2000 zu dem am schnellsten wachsenden Pharmagiganten. Warner-Lambart steuerte den Cholesterinsenker Lipitor bei – mit 13 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz das erfolgreichste Medikament der globalen Pharmaindustrie, das 2011 im Jahr des Patentablaufs ein Fünftel zum Konzernumsatz von 67 Milliarden US-Dollar beitrug. 2003 folgte die milliardenschwere Akquisition von Pharmacia mit dessen Arthritispräparat Celebrex. Mit dem Kauf von Wyeth im Jahr 2009 wurde das Produktportfolio breit diversifiziert. 2014 wurden die zugelassenen Impfstoffe von Baxter übernommen, 2015 Hospira, der weltweit führende Hersteller von injizierbaren Medikamenten und Infusionstechnologien sowie der führenden Kompetenz im Bereich Biosimilars, dem großen Hoffnungsträger der Pharmabranche aufgrund der höheren Gewinnmargen im Vergleich zu klassischen Generika.
So mancher Übernahmeversuch von Pfizer ging jedoch ins Leere: Die geplante Elefantenhochzeit mit AstraZeneca 2014 mit einem Transaktionsvolumen von 120 Milliarden US-Dollar scheiterte am Widerstand des britischen Unternehmens. Die Ende 2015 angekündigte Pharma-Mega-Fusion mit Allergan im Volumen von 160 Milliarden US-Dollar samt Firmensitzverlegung in das steuergünstige Irland platzte wenige Monate später wegen der verschärften US-Steuergesetzgebung. Pfizer bleibt dennoch auf Einkaufstour: Für den Hautcreme-Produzenten Anacor legte sie 5,2 Milliarden US-Dollar und für den US-Krebsspezialisten Medivation 14 Milliarden US-Dollar auf den Tisch.
„Durch diverse Zukäufe ist Pfizer heute eines der am breitesten aufgestellten Unternehmen der Gesundheitsbranche“, betont Norbert Janisch, Manager des Raiffeisen-HealthCare-Aktien Fonds. „Seine Schwäche mag sein, dass es in keiner Indikation Marktführer ist, seine Stärke liegt allerdings darin, dass es vor größeren Akquisitionen nicht zurückschreckt und es ihm immer wieder gelungen ist, seine Pipeline aus Kooperationen und Zukäufen zu füllen.“ Damit nicht genug: Seit Längerem wurde eine Konzernaufspaltung in eine innovative und eine etablierte Sparte evaluiert. „Damit könnte man verborgene Werte heben – wie etwa im Fall Abbott und AbbVie –, aber auch unterschiedliche Investorengruppen, nämlich wachstums- beziehungsweise valueorienterte, ansprechen“, erklärt Janisch. Doch dieser Plan ist nun vorerst ad acta gelegt.
Aus Anlegersicht ist die Aktie als solider Wert mit günstiger Bewertung und ansprechender Dividendenrendite von 3,5 Prozent jedenfalls einen zweiten Blick wert. emb