Ein geborgter Abend
Sie würden gerne einen netten Abend in der Oper verbringen, aber der Aufwand rechtfertigt den Genuss nicht? In Zeiten wie diesen ist alles möglich – und kostet weder die Welt noch teure Anschaffungen für alle Eventualitäten.
Ein glanzvoller Ball, eine spektakuläre Hochzeit, ein entspannter Abend in der Oper: Leider braucht es für glamouröse Events wie diese mehr als eine Eintritts- oder Einladungskarte. Nachdem Frack, Kindermädchen oder Nobelkarosse kaum als Schnäppchen zu haben sind, hat sich längst ein Trend breit gemacht, der das Vergnügen als Leihgabe möglich macht: leihen statt kaufen.
Warum sollten wir alles kaufen, was wir brauchen, wenn wir es auch leihen können? Angesichts beschränkter Platzverhältnisse, singulärer statt regelmäßiger Erfordernisse und vor allem knapper finanzieller Ressourcen macht dieser Trend durchaus Sinn und hat heute wohl mehr Aktualität, als es auf den ersten Blick scheint. „Leihen statt kaufen“ boomt jedenfalls längst nicht nur bei der Internet-affinen jungen Generation, sondern immer mehr Menschen wählen den „temporären Nutzen“, um Platz, Geld und Aufwand zu sparen.
Ein Abend am Ball
Also zurück zu unserem besonderen Abend. Der Event beginnt mit einem gediegenen, edlen Menü mit Freunden, doch die Lieblingsrestaurants sind ausgebucht. Ein Leihkoch ist die Lösung! Er kommt ins Haus, nutzt Ihre Küche und Infrastruktur und zaubert schmackhafte Gerichte, während Sie sich um die Gäste kümmern können – fast wie selbstgemacht, aber eben nicht ganz. Zur gleichen Zeit kümmert sich eine liebenswerte Leihoma um die Kleinen, die ganz begeistert von den Spiel- und Vorlesequalitäten für den elternfreien Abend bestens vorbereitet werden. Die Leihoma bleibt im Gästezimmer über Nacht und garantiert so eine sorgenfreie Zeit ohne nervöse Blicke auf das Handy-Display.
Für das perfekte Ball-Outfit sorgt ebenfalls Geliehenes: Das wunderschöne bodenlange Vintage-Ballkleid und der edle Frack stammen nicht aus eigenem Besitz, sondern wurden für diesen Abend ausgeliehen. Weil der Event auch tatsächlich etwas ganz Besonderes werden soll, wird die ganze Gesellschaft per Leihlimousine bis vor die Tür kutschiert. So bleiben auch zarte High Heels und edle Lederschuhe von Schneematsch und Co unbeeindruckt. Zudem steht die Limousine zum vereinbarten Zeitpunkt wieder bereit, um die Gäste sicher nach Hause zu bringen.
Sharing Economy
Nachdem der „geborgte Abend“ so hervorragend funktioniert hat, wird nach dieser Idee beim nächsten Society-Termin auch gleich ein Luxus-Designer-Fummel geliehen, der wohl unter 2.000 Euro nicht zu haben wäre – wenn man ihn kaufen würde. Und die Leihausrüstung im Ski-, Surf- oder Kletterurlaub muss ebenfalls schon längst nicht mehr aus eigenem Besitz stammen. Das Fahrrad wird auf einer Mietbasis genutzt – ebenso wie die Büroarbeitsplätze im Bekanntenkreis – Stichwort Coworking –, der Gemüsegarten, der Parkplatz, das Campingmobil für den Sommerurlaub oder das Spielzeug der Kinder. Selbst die Kunstwerke in Ihrer Ordination wurden nicht gekauft, sondern gemietet. So lässt sich auch schnell Abwechslung in die Optik bringen.
Cooperative Consumption
Wer das „leihen-statt-kaufen-System“ zu schätzen gelernt hat, kann es in ganz trendiger Art und Weise noch erweitern. Beim kooperativen Konsum, nach dem englischen Original „cooperative consumption“, werden nicht nur Produkte, die selten gebraucht und teuer in der Anschaffung sind, ausgeliehen, sondern auch verliehen, wenn sie im eigenen Besitz sind. Das bedeutet, dass von der Küchenmaschine, über das Brautkleid, den Autoanhänger bis zum Rasenmäher Produkte via Internet-Plattform verborgt werden können. So kann beispielsweise das Baby für Preise ab 40 Euro pro Monat in einem neuwertigen, stylischen Kinderwagen herumkutschiert werden. Aber auch ein leichter Buggy für die Reise, Kleidung, Spielsachen und sogar Hygieneartikel können geliehen statt gekauft werden.
Viel Potenzial
Zugegeben, der Trend zum Leihen statt Kaufen lässt manchen Unternehmern graue Haare wachsen. Was ursprünglich als Sparmethode von und für Studenten erdacht worden war, ist heute in allen Klassen salonfähig. Die Sharing Economy baut auf perfekte Vernetzung, Sparwillen und Qualitätsbewusstsein, denn Luxusgüter, die als Kaufobjekte schlichtweg unerschwinglich oder unvernünftig wären, erfreuen als temporäre Leihstücke für wenig Geld die vorübergehenden „Besitzer“. Und auch Ökobewusste freuen sich über die Mehrfachnutzung von teuer produzierten Dingen. Dieser Trend hat noch viel Potenzial! bw