Die unsichtbare Gefahr
Arzneimittelbedingte Interaktionen sind bereits für jeden fünften Todesfall in Österreich verantwortlich. Das österreichische E-Health-Unternehmen Diagnosia bringt nun erstmals eine mobile Applikation zur Vermeidung von Interaktionen auf den Markt.
Lebensretter und Gefahr zugleich: So wertvoll Medikamente sind, falsch eingesetzt töten sie viel mehr Menschen, als der Allgemeinbevölkerung und Medizinerkreisen bewusst ist. „Arzneimittelbedingte Sterbefälle stehen bereits an fünfter Stelle aller Todesursachen“, so lautet das Urteil von Univ.-Prof. Dr. Eckhard Beubler, ehemaliger Leiter des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Graz.
In Fachkreisen wenig bekannt
Im Rahmen einer schwedischen Studie wurden von 11.000 Todesfällen 1.574 nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und genau untersucht. Ergebnis: 49 dieser Patienten starben unmittelbar an einer unerwünschten Arzneimittel-Nebenwirkung. Nachdem Schweden eines der besten und sichersten Gesundheitssysteme hat, ist diese Zahl doch sehr erschreckend und wird in ähnlichem Ausmaß auch für andere Länder weltweit in dieser Form zutreffen. Insbesondere in Spitälern, wo Patienten von mehreren Ärzten behandelt werden und mehrere Stationen durchlaufen, ist eine durchgängige Kontrolle von etwaigen Wechselwirkungen unumgänglich geworden – oder sollte es zumindest sein.
Gefährlichen Medikamenteninteraktionen wird aber von einigen Ärzten noch immer zu wenig Beachtung geschenkt. So ist in Fachkreisen oft kaum bekannt, dass eine starke Wechselwirkung zwischen PPIs und Cumarinen besteht. Insbesondere lebensgefährliche Interaktionen von solch breit verschriebenen Substanzen können zu schwerwiegenden Problemen führen, die oftmals von der Ärzteschaft unterschätzt werden. Bei mehr als 12.000 in Österreich zugelassenen Substanzen verwundert es auch nicht, dass dies für Mediziner mittlerweile zu einem unüberschaubaren Minenfeld geworden ist. Insbesondere bei der Generation 60+, wo Polymedikation Usus ist, stellt die Vermeidung von Wechselwirkungen eine besondere Herausforderung dar und erfordert oftmals tiefergehendes pharmakologisches Wissen.
E-Medikation versus Diagnosia Check
Noch im Jahr 2010 war die Integration eines Interaktionstools bei ELGA beschlossene Sache. Nach zähen Verhandlungen und einige Jahre später ist aber mittlerweile klar, dass ELGA kein Wechselwirkungstool beinhalten wird. Da diese Entwicklung aber für die Patienten nicht als optimal bezeichnet werden kann, haben sich findige Jungunternehmer mit einer mobilen App in Österreich positioniert, die die Überprüfung eben genau dieser Wechselwirkungen, unabhängig von Hauptverband oder Ministerium, in einem geschützten, mobilen Umfeld ermöglicht.
Diagnosia Check, so der Name der derzeit als iOS-App verfügbaren Applikation für iPhone und iPad, die evidenzbasierte Wechselwirkungen von bis zu 30 Substanzen checkt, ist derzeit in Österreich am Markt und kann über den App Store heruntergeladen werden. Die App bezieht dabei die Informationen aus internationaler Studienliteratur und verweist auf die jeweiligen PubMed-Publikationen oder Fachinformationen, sofern eine Datenlage über eine Interaktion gegeben ist. Im Gegensatz zu bestehenden Systemen ermöglicht die App einen Wechselwirkungs-Check im „Opt-in“-Verfahren, anstatt eines „Opt-out“-Prozesses – mit Sicherheit auch ein Grund, warum sich die E-Medikation bei ELGA nicht durchgesetzt hat.
Die App ist dabei eine Erweiterung zu Diagnosia Index, einer innovativen Applikationsumgebung für medizinische Fachinformationen und Erstattungsinformationen für PC, Mac und alle gängigen Smartphones und Tablets.
Software & Akzeptanz
In einer Vielzahl von Studien wurde aufgezeigt, warum bestehende Softwarelösungen für Wechselwirkungen nicht angenommen werden. In der Regel sind diese tief integriert in das EDV-System des Arztes oder des Spitals und sobald Medikamente in die Stammdaten eingepflegt werden, überprüft das System im Hintergrund die Kompatibilität. In der Regel führen aber auch nur wenige Wechselwirkungen zu schweren, medizinischen Problemen und Kombinationen von Präparaten, die schon seit Jahrzehnten verschrieben werden, führen nur bei einer kleinen Subgruppe von Patienten zu Interaktionen – das Gros bleibt davon unbeeindruckt.
Durch Pop-up-Fenster am PC-Monitor fühlen sich Benutzer, in diesem Fall der Arzt vor dem Bildschirm, eher gestört als unterstützt. War doch das Verschreiben der Medikamente in der Berufserfahrung des Arztes niemals ein Problem, wird ihm nun von einem Software-Programm eine Meinung vorgesetzt. Diese „frontale“ Erinnerungsfunktion hat sich aus diesem Grund niemals durchgesetzt.
Vergessen werden häufig leider auch die dramatischen Folgen von Polymedikation, die vor allem bei älteren Personen nahezu an der Tagesordnung sind. Ein Arzt verschreibt drei Arzneimittel, der andere noch zwei dazu und ein dritter Facharzt weitere zwei – und mit jedem weiteren Medikament steigt die Gefahr der (tödlichen) Wechselwirkungen enorm an. Einfach lassen sich jetzt Wechselwirkungen von bis zu 30 Wirkstoffen gleichzeitig überprüfen und kritische Interaktionen auf den ersten Blick, sortiert nach einem Ampelsystem erkennen.
Testzugang unter www.diagnosia.com



