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Die Schönheit des (Über-)Lebens

20 starke Frauen im Kampf gegen Brustkrebs fotografisch inszeniert in beeindruckender Schönheit.


In der edlen stilwerk design gallery an der Elbstraße in Hamburg machte eine Ausstellung mit dazu gehörigem Buch auf sich aufmerksam, die auf den ersten Blick erschütterte und auf den zweiten schiere Bewunderung auslöste: Amazonen – eine Hommage an starke Frauen, ein Projekt von Uta Melle mit Fotos von Esther Haase und Jackie Hardt. Ein Tabubruch, der zumindest Frauen einiges an Überwindung abverlangt und einen tiefen Eindruck hinterlässt.
Das Thema ist so brisant wie aufwühlend: Es handelt sich um Aktfotografien von lebenshungrigen, starken und schönen Frauen, die jedoch ein schweres Schicksal teilen: den Kampf gegen den Brustkrebs. Die Fotografien verbergen weder die Verletzungen am Körper noch jene an der Seele.

Eine sehr reale Bedrohung

In Österreich erkrankt jede achte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Jährlich werden ca. 5.000 neue Fälle diagnostiziert. Rund 1.700 Frauen verlieren den Kampf. Nicht nur die Diagnose selbst stellt einen großen Schock für die betroffenen Frauen dar. Vor allem der Verlust einer oder beider Brüste nimmt eine für Gesunde kaum erfassbare Dimension ein. Heute ist es in den meisten Fällen möglich, durch einen Wiederaufbau die Optik weitgehend wiederherzustellen, doch manche Frauen entscheiden sich dagegen und schaffen es sich so zu akzeptieren, wie sie nach der Operation sind. In „Amazonen“ werden 20 dieser Frauen porträtiert und zeigen ihre Energie und Lebensfreude, ihre Kraft und Schönheit, aber auch ihre Verletzlichkeit, Melancholie und die körperlichen Spuren, die der Krebs hinterlassen hat.

Angriff ist die beste Verteidigung

Uta Melle (41), die Initiatorin des Projekts, erfuhr im Frühjahr 2009, dass sie selbst an Brustkrebs erkrankt war – wie ihre Mutter, die bereits im Sterben lag. Melle hatte einen Fototermin bei ihrer Freundin Jackie Hardt vereinbart, den sie – trotz des frischen Wissens um ihre Krankheit – auch wahrnahm. Vor der Operation sei es für Uta quasi der Abschied von ihren Brüsten gewesen, erzählte Jackie Hardt in einem Interview. Die Fotos seien auch toll geworden, sie zeigten sie jung, schön und frisch. Ein paar Tage später war die OP und Melle bat Hardt, sie auch in diesem Stadium nah mit der Kamera zu begleiten. Melle fand es einfacher, sich mittels eigener Fotos mit der Krankheit auseinanderzusetzen, gab es doch für ein so weit verbreitetes Thema, das dennoch ein Tabuthema ist, kaum Evidenz. Jede Frau – auch die Fotografinnen –, die sich optisch damit konfrontiert sah oder sieht, muss sich den eigenen Ängsten stellen.

Dominoeffekt

Melle und Hardt begeisterten mit den vorab publizierten Bildern andere Frauen mit demselben Schicksal für ihre Idee und schon stand das Projekt. Hardt zeigte sich höchst fasziniert von der unglaublichen Kraft, die diese Frauen ausstrahlen: Es sei natürlich eine hochsensible Angelegenheit, eine Herausforderung, seelisch, geistig, kreativ gewesen, erzählte Hardt. Da gehöre unheimlich viel Mut dazu, sich so zu zeigen. Und Mut sei es auch gewesen, was all diese Frauen einte. Mut zum Kampf. Der Titel des Buches ergab sich aus der Bewunderung für die Frauen, die beim Shooting wie Kämpferinnen aufblühten und ihre Narben an Körper und Seele zur Schau stellten – wie Amazonen eben.
Die Berliner Beauty- und People-Fotografin Jackie Hardt versucht mit jeder Fotografie Geschichten zu erzählen, denn jeder Mensch habe eine Geschichte, wie sie sagt. Die gelte es zu finden und im Bild zu transportieren. Im Gespräch mit den Menschen vor ihrer Linse kämen Momente im Gesicht auf, die Empfindungen transportieren. Diese Empfindungen in den Gesichtern hätten das Ganze dann so richtig zum Leben erweckt.
Die Angst jeder Frau vor dieser Krankheit kann das Buch nicht nehmen, aber man könne Einsichten gewinnen, räumt Hardt ein. Dass man nicht allein ist. Das sei es auch, was das Buch vermitteln möchte. Und so wie es aussieht, wird dies auch nicht das letzte Projekt dieser starken Frauen im Dienste des Kampfes gegen Krebs sein. „Ich bin schön, denn das Leben ist schön“, sagt Uta Melle.

bw

BUCHTIPP

Amazonen – eine Hommage an starke Frauen  

Hrsg. von Nadine Barth, Kehrer Verlag, 128 Seiten, mit ca. 80 Fotos, überwiegend in s/w, ISBN 978-3868282092

Initiatorin: Uta Melle, 41, Brustkrebspatientin
Fotografinnen: Mode und Porträtfotografin Esther Haase, Hamburg, www.estherhaase.de, und Jackie Hardt, Beauty- und People-Fotografin, Berlin, www.jackiehardt.com
Autorinnen: Beate Wedekind, Sophie Albers