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Die Kreditzinsen sind im Keller – bleiben sie das aber auch?

Viele Kreditnehmer reiben sich angesichts der niedrigen Zinsen bereits seit Jahren vor Freude die Hände. Um die Wirtschaft anzukurbeln, lässt die Europäische Zentralbank (EZB) die Kreditzinsen im Keller.


„Jeder, der einen Kredit mit einer variablen Verzinsung hat, sollte es sich derzeit überlegen, zu einem Kredit mit Fixzinsen zu wechseln.“ Reinhard Aumann, Leiter der Vertriebsdirektion Wohnbau & Immobilien der Erste Bank

Der für die Kreditzinsen entscheidende Drei-Monats-Euribor notiert sogar mit - 0,041 Prozent negativ (Stand: 25. September 2015). Sollte die EZB irgendwann den Leitzins wieder erhöhen – oder auch nur eine Erhöhung in Aussicht stellen –, wird der Euribor ansteigen. Die Folge: Die Kredite werden wieder teurer. Innerhalb der letzten 40 Jahre variierte der 3-Monats-Euribor von 0,60 bis über 10 Prozent, das ergibt einen Durchschnittswert von etwa 5 Prozent. Eine Absicherung des historisch niedrigen 3-Monats-Euribor ist somit mehr als ratsam, heißt es dazu unisono in den Banken. Auch wenn die Zinsen vorerst auf dem niedrigen Niveau verharren werden.

Geldquellen

Warum die Kreditzinsen so niedrig bleiben könnten, ist schnell erklärt. Die EZB – aber auch die FED – fluten die Märkte mit Geld. Seit der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, nach der Sitzung des EZB-Rates im Jänner 2015 angekündigt hatte, dass die Notenbank ein massives Aufkaufprogramm von Staatsanleihen und Anleihen privater Unternehmen auflegen werde, wurden Milliarden Euro in die Wirtschaft Europas gepumpt. Vorerst läuft das Programm bis September 2016. Die EZB will damit das Wirtschaftswachstum fördern und die Inflation in die Nähe der offiziellen Richtmarke von knapp unter zwei Prozent pro Jahr bringen. Auch einige Monate nach Auflage des Programms pendelt die Inflation in der Eurozone noch um die Nulllinie – der Grund dafür sind allerdings stark gesunkene Energiepreise, auf die die EZB kaum Einfluss nehmen kann. Da die traditionellen Instrumente der Notenbanken wie Leitzinssenkungen nahezu ausgeschöpft sind, greift die EZB nun zu drastischeren Mitteln: Sie flutet die Märkte mit Geld, um so die Kreditvergabe in der Eurozone anzukurbeln und die Wirtschaft auf Kurs zu bringen. Derzeit kauft die EZB Anleihen in Höhe von etwa 60 Milliarden pro Monat. Das bedeutet bei über 330 Millionen Einwohnern in der Eurozone etwa 180 Euro pro Kopf.
Die EZB will aber nicht nur die Kreditvergabe im Euroraum beleben, sie hat auch den Wechselkurs des Euro im Blick. Der Euro hat sich trotz Staatsschuldenkrise gegenüber dem Dollar bis Mitte 2014 recht stabil gehalten. Erst danach gab er deutlich nach. Von Juni 2014 bis März 2015 sank die Gemeinschaftswährung von 1,36 Dollar pro Euro auf weniger als 1,05 Dollar. Seitdem pendelt sie um die Marke von 1,10 Dollar. Das bedeutet, dass Waren europäischer Exporteure auf dem Weltmarkt billiger geworden sind. Dies freut vor allem die Exportindustrien der weniger wettbewerbsfähigen Euro-Länder. Frankreich, Italien und andere Südstaaten üben deshalb großen Druck auf die EZB aus, den Euro schwach zu halten und so auch für weiter niedrige Zinsen zu sorgen. Die Kreditnehmer freut es, die Sparer weniger.

Strategien für Kreditnehmer

Trotzdem sollte man sich mit dem Szenario steigender Zinsen auseinandersetzen. Nicht wenige Kreditnehmer tragen sich wohl im Moment mit dem Gedanken, was sie tun können, um die aktuell niedrigen Kreditzinsen für sich absichern zu können. Und falls die Kreditzinsen wirklich deutlich ansteigen, nicht die volle Wucht der Erhöhung der Kreditzinsen abzubekommen.
Vor allem aber: Langfristige Fixzins-Kredite sind aktuell günstig zu haben. Gehen die Zinsen aber auf einmal nach oben, wird ein Umstieg empfindlich teurer. Zudem riskieren Kreditnehmer bei einer Zinsbindung von lediglich zehn Jahren, dass sich ihre Kreditkosten bei der Anschlussfinanzierung erheblich erhöhen. Beispielsweise bleibt bei einem Darlehen über 150.000 Euro mit einem Zins von zwei Prozent pro Jahr und einer Anfangstilgung von 2,5 Prozent nach zehn Jahren eine Restschuld von mehr als 108.000 Euro, die neu finanziert werden muss.
Eines gleich vorweg: Diese Absicherung von steigenden Kreditzinsen kostet etwas und nicht jede Möglichkeit ist gleich gut geeignet. Insgesamt gibt es zwei Möglichkeiten: Umsteigen auf einen Fixzinskredit oder der Abschluss eines Zins-CAPs. Bei einem Fixzins-Kredit werden über einen bestimmten Zeitraum fixe Kreditzinsen vereinbart. Je länger dieser Zeitraum ist, desto höher werden auch die Kreditzinsen. Fixzins-Kredite waren bis 2013 deutlich teurer als Kredite mit variablen Zinsen, sind derzeit aber so günstig wie noch nie. Wer nicht „zocken“ und so ein erhebliches Zinsrisiko tragen will, sollte jetzt dem Fix-Zins den Vorzug geben – am besten mit einer möglichst langen Laufzeit.
„Jeder, der einen Kredit mit einer variablen Verzinsung hat, sollte es sich derzeit überlegen, zu einem Kredit mit Fix-Zinsen zu wechseln“, rät Reinhard Aumann, Leiter der Vertriebsdirektion Wohnbau & Immobilien der Erste Bank. Und das sind, so der Finanzierungsexperte, eine Menge Österreicher. „Im Unterschied zu Deutschland ist es in Österreich der Normalfall, dass ein Kredit nicht mit einem fixen, sondern mit einem variablen Zinssatz abgeschlossen wird.“ Österreich, ein Land der Zocker? „Nicht unbedingt. Aber das hat bei uns halt Tradition.“ Man sollte die Chance jedoch nutzen. Einen 10-Jahre-Fixzins-Kredit gibt es schon je nach Bonität zwischen 2,0 und 2,25 Prozent. „Das ist so günstig wie schon lange nicht.“ Kredite mit variablen Zinsen sind um 0,75 bis 1 Prozent zu haben.

Vorsicht Fremdwährungskredit

Auch Fremdwährungskreditnehmer sollten eine Konvertierung ins Auge fassen. Natürlich sei es äußerst verlockend, aktuell nur die sehr niedrigen Zinsen bezahlen zu müssen. Doch das Damoklesschwert schwebt über den Kreditnehmern. „Die meisten endfälligen Fremdwährungskredite sind mit einem Tilgungsträger besichert. Diese entwickeln sich aber, wegen der niedrigen Zinsen, nicht so wie geplant“, sagt Aumann. Dies könne am Ende zu einem bösen Erwachen führen. Hatten, so die Zahlen der Finanzmarktaufsicht, 2008 noch 270.000 Haushalte einen Fremdwährungskredit, so sind es heute nur noch knapp 150.000. Wechselkursbereinigt liegt das aushaftende Volumen an Fremdwährungskrediten (FX-Kreditvolumen) an private Haushalte bei rund 26,5 Milliarden Euro. „Jetzt wäre ein günstiger Zeitpunkt, aus dem FX-Kredit auszusteigen“, so Aumann.
Beim Vollausstieg wird die volle Summe in Euro konvertiert. Damit wird zwar der Währungsverlust realisiert, gleichzeitig aber das Währungsrisiko ausgeschaltet. Wird auch der Tilgungsträger (meist klassische oder fondsgebundene Lebensversicherungen oder Fonds) aufgelöst und die Summe auf den Kredit einbezahlt, kann die ausstehende Summe reduziert werden. Als Kunde hat man dann einen klassischen Eurokredit, der mit monatlichen Raten laufend abbezahlt wird. Eine weitere Möglichkeit wäre, den Kredit zu tilgen und ihn so umzustellen, dass monatlich Raten gezahlt werden. Damit hat man zwar eine monatliche Belastung, die es bis dato nicht gab – damit werden aber jetzt schon die Schulden vermindert.
Für Unentschlossene hat Aumann auch eine Lösung parat. „Man kann den Kredit ja teilen und eine Hälfte zum Beispiel im Franken belassen.“ Auch bei der Raiffeisen Landesbank Wien Niederösterreich rät man, sich bei langfristigen Finanzierungen in einer Niedrigzinsphase gegen steigende Zinsen mit einem Fixzins abzusichern. „Wir bieten 15, 20 und 25 Jahre fixe Verzinsung an“, heißt es dazu auf Nachfrage. „Bei den Fremdwährungskrediten ist das Risiko der (endfälligen) Fremdwährungsfinanzierung (mit Tilgungsträger) im Sinne des Kunden zu reduzieren. Eine Konvertierung ist bei der Raiffeisen Landesbank – wie praktisch bei allen Kreditinstituten – spesenfrei. Auf der Basis der individuellen Beratung gibt es hier eine unterschiedliche Bandbreite von Lösungen für Kunden, die umsteigen wollen. Wir bieten auch günstige langfristige Fixzinsvereinbarungen an.“ Eine weitere Möglichkeit, sich gegen steigende Zinsen abzusichern, sind Zinscaps. Zinscap-Optionsscheine wirken gegen einen Anstieg des 3-Monats-Euribor, der den Zinsanpassungen des variablen Immobilienkredites zugrunde liegt. Ausschlaggebend ist die 3-Monats-Euribor-Festsetzung an dem jeweiligen Feststellungstag. Ein Zinscap kann sowohl für tilgende, als auch für endfällige Kredite abgeschlossen werden, Zeitraum und Laufzeit des Zinscap können variieren. Die derzeit günstigste Variante ist ein variabler Kredit mit einem Cap. Hier genießt man den niedrigen Zins, ist aber bei Risiken eines Zinsanstiegs gut abgesichert. Ideal für Fremdwährungsheimkehrer, bei denen es gilt, die niedrigen Zinsen langfristig abzusichern, um nicht von einer Währungsproblematik 2015 in eine Zinsproblematik 2025 zu schlittern.
Beispiel: Bei einem Kredit von 350.000 Euro wird eine Zinsobergrenze (Strike) von 2,75 Prozent vereinbart. Vom kreditgebenden Institut wird bei Inanspruchnahme eine sogenannte Cap-Prämie eingehoben (im Beispiel 7.500 Euro pro 100.000 Euro Kreditsumme). Aufgrund der Entwicklung des 3-Monats-Euribors seit 1974 wird ein Durchschnittswert von 6 Prozent angenommen, bei einer Laufzeit von 30 Jahren wird der Vorteil eines Zinscaps deutlich. Doch keine Panik. Kreditexperten rechnen mit einem günstigen Zinsumfeld bis Ende 2016, denn so lange läuft noch das Anleihenkaufprogramm der EZB, das die Zinsen am Boden hält. „Ziemlich sicher bleibt das Zinsniveau auch 2017 günstig, weil die Swap-Sätze – also die Langfristzinssätze, auf denen Fixzinsen aufbauen – so niedrig sind wie noch nie“, sagt Wolfgang Maurer, Geschäftsführer Creditnet. mn