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Die Entdeckung der Langsamkeit

Flussreisen haben einen entscheidenden Vorteil: Alleine die Ruhe vermittelt Entspannung und Entschleunigung. Außerdem sind weder Segelschein noch Kapitänspatent zwingend erforderlich, wenn die Flüsse zu Straßen werden.


Le Boat gilt als echter Hausbootspezialist. Entsprechend breit sind die Angebote auf den befahrbaren Flüssen Europas. foto: Leboat

Flussreisen werden zunehmend populärer, bestätigen alle Anbieter. Das mag an der besonderen Entspannung liegen, die sich angesichts ruhig fließender Gewässer automatisch breit macht. Für manche ist es aber auch die Gelegenheit, vom Wasser aus die schönsten Regionen Europas zu bewundern, sozusagen die Augen reisen zu lassen, ohne selbst mobil zu werden. Wieder andere genießen die familiäre Atmosphäre eines Hausboots, die kleinen Aufregungen, die jede einzelne zu bewältigende Schleuse mit sich bringt, und die kulinarischen Highlights und kulturellen Schätze, die entlang des Ufers zu finden sind. Europas Flüsse öffnen sich den Reisenden als sprichwörtliche Wasserwege in zweierlei Varianten: als Flusskreuzfahrt oder als Hausbootreise – je nach Flussgröße, Serviceerwartung und persönlicher Einsatzbereitschaft.

Garantiert ohne Seekrankheit

„Flusskreuzfahrten sind seit einigen Jahren stark im Trend. Wir verbuchen jedes Jahr eine sehr große und steigende Nachfrage, speziell die Route Wien – Schwarzes Meer, der Rio Douro und auf der Wolga von Moskau nach St. Petersburg“, fasst Andrea Amtmann von Retter Reisen zusammen, was derzeit in ist. Wer das Wasser liebt, aber einmal anders reisen möchte als an den Strand, ist grundsätzlich mit einer Flusskreuzfahrt gut beraten. Sich mit dem Wasser treiben zu lassen, bringt alleine durch das Vorbeiziehen von Landschaften und Städten, winkenden Menschen und wilden Tieren, Alltagsszenen und Besonderheiten ein hohes Maß an Entschleunigung mit sich. Die Klassiker führen von Moskau nach St. Petersburg (oder umgekehrt), entlang der Donau Richtung Donaudelta und Schwarzes Meer, über Portugals Rio Douro oder über Frankreichs große Ströme. Längst haben die populären Flusskreuzfahrten den Touch eines Pensionistenausflugs verloren – sehens- und erlebenswert sind diese Reisen für jede Altersgruppe und in großer Vielfalt. So führt etwa die MS Primadonna der Donau Touristik von Wien zum Eisernen Tor. Das Eiserne Tor – einer der imposantesten Taldurchbrüche Europas an der Grenze zwischen Serbien und Rumänien – galt einst als gefährlichste Schiffspassage unseres Kontinents. Heute muss man sich darüber keine Gedanken mehr machen, sondern kann die Reise mit allen Annehmlichkeiten genießen – dafür wird an Bord des Kreuzfahrtschiffs ganz sicher gesorgt.
Auch Retter Reisen setzen auf Flusskreuzfahrten, etwa an Bord der MS Bijou du Rhone **** durch das zauberhafte Südfrankreich auf Rhone und Saône. Anreise, Transfers, fünf Ausflüge, Schleusengebühren und Vollpension an Bord sind dabei inkludiert. „Unsere Gäste schätzen die familiäre Atmosphäre auf den Schiffen. Flusskreuzfahrten sind in keiner Weise mit einer Hochseekreuzfahrt zu vergleichen, da die Schiffe viel kleiner sind. Auch Seekrankheit spielt hier keine Rolle. Bedenken muss man nur, dass die Kabinen von der Größe her nicht mit einem Hotelzimmer vergleichbar sind. Wer mehr Komfort möchte, sollte auf Juniorsuiten oder Suiten ausweichen. Beliebt sind auch Pakete inklusive Anreise und allen Ausflügen, da die Kosten leichter kalkulierbar sind und der Gast sich um nichts mehr kümmern muss“, erzählt Amtmann. Eine deutschsprachige Reiseleitung ist übrigens selbstverständlich.

Von Schleuse zu Schleuse

Sobald die Gewässer schmäler werden, erübrigt sich der Kreuzfahrtgedanke. Ebenfalls immer populärer werden daher Hausbootfahrten in Eigenregie. Weder Kapitänspatent noch Segelschein sind erforderlich, um als Familie, in einer kleinen Gruppe oder sogar in einem kleinen Bootskonvoi die Flüsschen Europas zu erkunden. „Für den österreichischen Markt sind nach wie vor Italien und Frankreich die gefragtesten Destinationen“, weiß Katja Meinken-Wiedemann von Marktführer Le Boat. Auch wenn die Bewältigung von Schleusen ein wenig Übung erfordert und auch das Anlegen Anfänger erst mal auf die Probe stellt, so kann eine Hausbootfahrt doch niemals den Stress bereiten, den wir fast täglich auf heimischen Straßen erleben. Die Voraussetzungen für den Urlaub als Freizeitkapitän sind laut Meinken-Wiedemann lediglich ein Mindestalter von 18 Jahren und eine Einweisung durch die Mitarbeiter vor Ort. Dann geht es los mit den führerscheinfreien Hausbooten. „Am besten eignet sich diese Form des Urlaubs für Menschen, die gerne in der Natur sind, individuell reisen möchten und Spaß daran haben, jeden Tag anders zu gestalten und Neues zu entdecken. Außerdem ist es eine tolle Möglichkeit für Freundesgruppen oder Familien, mal wieder gemeinsame Zeit miteinander zu verbringen. Auch für Hundebesitzer ist es eine ideale Urlaubsform“, ergänzt die Le-Boat-Mitarbeiterin.

Faktor Nachhaltigkeit

Ein Faktor mit bemerkenswerter Relevanz kommt bei beiden Formen der Flussreise zum Tragen: Nachdem das eigene Auto auf der Reise nicht nutzbar ist, kann der Urlauber es auch gleich zu Hause lassen und mit der Bahn zum Einschiffungshafen anreisen – und macht damit den Befürwortern nachhaltiger, ökologisch vertretbarer Reisen Freude. Die Schiffe und Boote auf Flussreisen werden zwar auch nicht per Muskelkraft angetrieben, aber im Vergleich zu Flug- oder Autoreisen punkten sie allemal. Die Entschleunigung vermittelt den Eindruck unendlich viel Zeit zu haben, einfach „schauen“ zu dürfen, ohne Termin, ohne Verpflichtung. Der Erholungswert geht freilich Hand in Hand mit der Abwesenheit von Stress. Auf Hausbooten kommt dazu noch die Möglichkeit, von den Früchten der jeweiligen Region, den ländlichen Produkten oder jenen des Flusses zu leben. So sieht echte Nachhaltigkeit aus!
Vorsicht: Der sanfte Verkehrsweg auf dem Wasser hat schon so manchen Reisenden in seinen Bann gezogen. Der Traum vom Leben am Wasser – mittels Hausboot – wird dann ganz schnell zum Lebensziel. Die Sache dürfte in Österreich jedoch eher schwierig werden – fahren Sie also lieber auf den schönsten Flüssen der Welt spazieren und kehren Sie dann auf festen Boden zurück. bw

Die schönsten Flusskreuzfahrten Europas

  • Donau: Deutschland, Österreich bis Moldawien und Ukraine – zehn Länder durchfließt der imposanteste Fluss Europas. Von Wien flussabwärts sind viele Schätze verborgen, die es zu erkunden gilt.
  • Portugal: Den charmantesten Blick auf Portugals Schätze gibt es vom Douro aus.
  • Niederlande, Belgien: Viel Leben am Wasser spielt sich in Holland und Belgien ab – entsprechend kurzweilig sind die Flusskreuzfahrten.
  • Deutschland: Auf der Elbe die schönsten Städte des deutschen Ostens besuchen – das hat was. Auch der Rhein beherbergt klassische Flusskreuzfahrten, so wie Mosel und Main.
  • Frankreich: Auf der Seine führt die Reise von Paris an die Atlantikküste. Die Rhône führt durch Frankreichs Schatzkästchen wie Lyon, Châteauneuf-du-Pape, Avignon oder Arles und wird oft mit der Saône kombiniert.
  • Russland: Auf den Spuren der Zaren von Moskau nach St. Petersburg und/oder umgekehrt – ein Klassiker.

Europas Wasserwege für Freizeitkapitäne

  • Frankreich: Elsass, Champagne, Picardie, Saône, Seille, Nivernais, Yonne, Loire – fast so dicht wie das Straßennetz durchziehen Ströme, Flüsse, Flüsschen und Kanäle die französischen Regionen in allen Himmelsrichtungen.
  • Irland: Erne, Shannon, Link, Grand Canal, Royal Canal – Sehenswürdigkeiten, Pubs und Schleusen – eine abwechslungsreiche Reise für die ganze Familie
  • Skandinavien: Auf dem Götakanal in Schweden geht es von der West- zur Ostküste und/oder umgekehrt.
  • Niederlande: Friesische Seenplatte oder Südholland, das ist die Frage. Ersteres bietet auch Bademöglichkeiten.
  • Belgien: Ein überraschend dichtes Netz an Erlebenswertem bietet Flandern: köstliche Schokoladen und Gourmetküche, Kulturreichtum und Naturschönheiten – Windmühlen, Wiesen, Sumpfgebiete, Sandstrände und lebhafte Städte.
  • England und Schottland: Hausbootfahrten auf der Themse sind ganz anders als erwartet und auch in Schottland hat Wasser einen vielfältigen Stellenwert.
  • Italien: Ja, auch hier ist nicht immer der Strand das Ziel – manchmal sind die vielen norditalienischen Flüsse das wahre Highlight.
  • Polen: Vielleicht eine der unterschätztesten Regionen Europas ist die Masurische Seenplatte: Im „Land der tausend Seen“ ziehen wildromantische Regionen mit einer faszinierenden Fauna und Flora in ihren Bann.
  • Tschechien: Auf Moldau und Elbe sind ungewöhnliche Hausbootfahrten mit bis zu 46 Schleusenmanövern in zwei Wochen möglich. So haben Sie Tschechien noch nie gesehen!