Design oder Nicht-Design?
Optik oder Nutzen, Design oder Qualität? Dient die Gestaltung der Ordinationsräumlichkeiten lediglich dem Wohlfühlfaktor oder hat Design auch mit Qualität zu tun? Und warum lassen sich innenarchitektonische Maßnahmen im Krankenhaus nur bedingt auf die Praxen niedergelassener Ärzte umlegen?
Danach befragt, wie modern Arztordinationen eigentlich sein müssen, um Qualität bieten zu können, winken zahlreiche Experten ab: Während Qualitätsmanagement im Krankenhaus ein viel diskutiertes und bearbeitetes Thema darstellt, liegt für den extramuralen Bereich viel zu wenig Evidenz vor. „Jeder Würstelstand wird strenger kontrolliert als eine Arztordination“, lautet demnach auch der markante Sager von Patientenanwalt Dr. Gerald Bachinger im profil-Interview. Der Patientenanwalt ist zwar höchst bewandert, was Patientenbeschwerden im intramuralen Bereich angeht, seine Erfahrungen mit Arztordinationen beschränken sich aber nach seinen Aussagen mehr oder weniger auf jene als Patient: „Die Hotspots der Beschwerden gegen Ordinationen sind nach wie vor zu wenig Verschwiegenheit bzw. Vertraulichkeit und zu lange Wartezeiten.“ Auch Franz Bittner, neuer Patientenombudsmann der Wiener Ärztekammer, winkt ab: Noch seien seine Erfahrungen mit der Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung und Patientenurteil zu bescheiden, um darüber fundierte Auskünfte geben zu können. Die ÖQMed, die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung & Qualitätsmanagement in der Medizin GmbH, sei schließlich dafür zuständig, das Qualitätsmanagement in Krankenhäusern wie auch Arztordinationen zu überprüfen und das sei angesichts der enormen Breite höchst schwierig. „Der Fragebogen der ÖQMed ist sehr gut gemacht“, findet Bittner, „aber reine Selbsteinschätzung kann nie ein authentisches Bild abgeben.“ Zudem – und auch hier sind sich Patientenombudsmann und Patientenanwalt einig – sei Qualitätskontrolle im Krankenhaus aufgrund der Teilbarkeit und Delegierbarkeit von Verantwortungen wesentlich einfacher.
Offizielle Befragungen
Apropos ÖQMed: Die ÖQMed, Tochtergesellschaft der Österreichischen Ärztekammer, „betreibt die Qualitätssicherung der österreichischen Arztordinationen durch die Ausarbeitung fachspezifischer Qualitätskriterien sowie die Qualitätskontrolle durch die Überprüfung der Einhaltung der Kriterien, der Ausstellung allfälliger Mängelbehebungsaufträge und der Ausstellung eines Zertifikats für jene Ordinationen, die den Kriterien entsprechen“, heißt es im Leitbild der medizinischen Qualitätssicherungsstelle. Für ein Interview standen die Verantwortlichen leider nicht zur Verfügung. In jüngster Zeit haben jedenfalls Fälle Aufmerksamkeit erregt, bei denen Ordinationen nach mehrfachen Interventionen aus qualitativen Gründen gesperrt werden mussten. Bevor es soweit kommt, wäre grundsätzlich jeder Arzt dazu verpflichtet, eigenständig für Qualitätssicherung zu sorgen. Ein Fragebogen soll dafür die Grundlage einer Selbsteinschätzung darstellen und deutlich machen, in welchen Bereichen Verbesserungen erforderlich sind. Patientenombudsmann Bittner merkt allerdings an, dass nur die Kontrolle der Einhaltung der Richtlinien tatsächlich qualitätssichernd sein könne, denn welcher Arzt würde freiwillig und gerne Mängel bekanntgeben, die im schlimmsten Fall zu einer Schließung seiner Ordination führen könnten?
Der Fragebogen umfasst Kriterien betreffend Ordinationsmanagement – wie Erreichbarkeit, Raumaufteilung, sanitäre Einrichtungen, Möglichkeiten für vertrauliche Gespräche – ebenso wie Brandschutz- und Sicherheitsfragen, Hygiene-, Notfallvorsorgefragen, Fragen zum Umgang mit Arzneimitteln, Suchtgiften, medizinischem Verbrauchsmaterial und Medizinprodukten, nach fachlicher Qualifikation, Mitarbeitereinsatz, Patientenhistorie und Dokumentation und Befunden. Weiters werden Patientenkommunikation und -aufklärung, interdisziplinäre Zusammenarbeit, Barrierefreiheit, interne Kommunikation, Patientensicherheit und Beschwerdemanagement hinterfragt. Viele Fragen beziehen sich demnach auf Einrichtung bzw. Gestaltung und Organisation von Arztordinationen und liefern Benchmarks für die Optimierung der Ordination. Die Berücksichtigung einer Patientenbefragung – Fragebögen sind ebenfalls über die ÖQMed zu beziehen – kann zusätzliche Impulse liefern.
Große Pläne für kleine Lösungen
Einen wesentlichen Themenbereich des Qualitätsmanagements in Arztordinationen stellen also die Innenausstattung und das Praxismanagement dar. Empfehlungen und Tipps zur Optimierung gibt es zahlreiche, wobei nicht alle für jeden Fall umsetzbar sein können. So bietet etwa der Neubau des Krankenhauses Nord die Chance, hochprofessionelle Überlegungen zur Innenarchitektur und zum Design, die im Zuge des ambitionierten Baus angestellt wurden, auf den extramuralen Bereich umzulegen – allerdings können sie lediglich als Orientierung gelten und sind gerade in der Stadt nur bedingt umsetzbar. Das Architekturbüro Albert Wimmer ZT-GmbH wurde beauftragt, mithilfe von innovativen Gestaltungsprinzipien und Ideen für Wohlfühlatmosphäre zu sorgen – Ideen, die auch im extramuralen Bereich zumindest als Inspirationsquellen dienen können. Unter dem Titel „Vom Kranken- zum Gesundheitshaus – Architekturqualität im Gesundheitswesen“ setzt Architekt Wimmer auf Gesundwerden statt Kranksein, auf eine angenehme und sichere Atmosphäre, die Betonung der Aspekte Erholung und Genesung sowie gleichzeitig auf den Abbau von Barrieren und Schwellenängsten. Zu den Ideen, die dieses Ziel erreichen helfen sollen, zählen etwa der Einsatz natürlicher Farben und Materialen, Tageslicht in allen Räumen sowie Nachhaltigkeit in der Gestaltung durch die Verwendung hochwertiger, nachhaltiger Materialien.
Patient comes first
Auch die Umgebung spielt laut Wimmer keine unwesentliche Rolle: „Die Wohlfühlatmosphäre muss schon beginnen, bevor man das eigentliche Krankenhaus betritt. Daher ist es wichtig, die Umgebung in den Entwurf einzubeziehen.“ Auf die Arztordination umgelegt ist damit die Umgebung des Gebäudes gemeint, die zum Verweilen einladen soll und sogar eine heilende Wirkung haben kann. Freilich kann dieser Tipp nur für neu errichtete Ordinationen relevant sein und vorrangig am Land, überlegenswert ist er aber allemal. „Natur spielt für den Genesungsprozess eine entscheidende Rolle. Das Krankenhaus Nord vereint die Vorstellung von Wohlfühlen, Heilen, Wachsen und Gesunden zu einem Gesamtkonzept. Durch den Healing Garden, die Therapiegärten sowie die vielen Atrien und Dachgärten wird Natur erlebbar. Daneben trägt auch ‚Healing Art‘, also der Einsatz von Kunst als Gestaltungselement, zur Wohlfühlatmosphäre bei“, erklärt Wimmer. Im Idealfall befinden sich Ordinationen also nicht in einem anonymen, kalten und wenig einladenden Umfeld, sondern sie laden schon von außen zum Eintritt ein. Eine „Bautypologie, die hohe Flexibilität, optimale Orientierung und kürzeste Wege garantiert“, empfiehlt der Architekt. Dabei werden Arbeits- und Organisationsabläufe der Mitarbeiter nicht nur berücksichtigt, sondern bilden die Grundlage eines räumlich optimierten Entwurfes. Während etwa in der Planungsphase des Krankenhauses Nord in mehr als 800 sogenannten Nutzerrunden – das ist die Einbeziehung aller betroffener Interessensgruppen von Ärzten, über Pflegepersonal, Patienten, bis zu technischen und Verwaltungsmitarbeitern – entscheidende Impulse für die Planung entstanden, wäre ein ähnliches Vorgehen im Kleinen, unter Einbeziehung der Mitarbeiter, durchaus empfehlenswert. Der Input der Mitarbeiter kann so grundsätzliche Überlegungen betreffend Organisation, Raumaufteilung oder Gestaltung von Anfang an in eine richtige Richtung lenken.
Um- und Neubau von Arztordinationen bieten somit die Chance, Qualitätsanforderungen strategisch gut geplant in Angriff zu nehmen. Der Fragebogen der ÖQMed fungiert in diesem Fall als nichts anderes als ein Anforderungskatalog, dessen Kriterien in die Gestaltung von Ordinationen einfließen sollen. Und dabei stellt sich unweigerlich heraus, dass Design und Funktion kein Widerspruch sind, sondern Wohlfühlatmosphäre gepaart mit Funktionalität sind ein Spiegel der Qualität der ärztlichen Behandlung.



