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Der Diabetiker ist, was er isst

Bei der Behandlung von zuckerkranken Menschen spielen Broteinheiten, Mischkost und glykämischer Index eine entscheidende Rolle. Nicht jedoch Diabetikerprodukte.


Ohne Smartphone geht heutzutage so gut wie nichts mehr. Für die einen Fluch, für die anderen mehr oder weniger Segen. Zur zweiten Gruppe gehören mittlerweile auch Diabetiker, denen die eine oder andere App eine „smarte“ Unterstützung für den Alltag bietet: So gibt es beispielsweise die Tagebuch-App „Diabetes-Plus“, mit der etwa Blutzuckerwerte, Angaben zu Basis- und Bolusinsulinen, Broteinheiten (BE), aber auch Sporteinheiten und Notizen verwaltet werden können. Die sogenannte Broteinheiten-App soll das Mitführen eines BE-Buches ersparen, da der Nutzer das entsprechende Nahrungsmittel entweder über die Produktgruppe, den Hersteller oder über Volltextsuche ermitteln kann.

Mischkost und Broteinheiten

Ob nun mit oder ohne smarte App, „Ernährung ist in der Behandlung von Diabetes eine im Lebensstilinterventionsbereich angesiedelte therapeutische Maßnahme“, betont Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner, Primarärztin der Inneren Abteilung am Landeskrankenhaus Hochzirl sowie Vorstandsmitglied der Österreichischen Diabetesgesellschaft. Beim Typ-2-Diabetiker gehe es vor allem um ausgewogene Ernährung. „Empfohlen wird eine Mischkost aus etwa 50 Prozent Kohlenhydraten, zehn bis 15 Prozent Proteinen und gut 30 Prozent Fett. Wobei die Empfehlungen in Bezug auf den Fettanteil in den letzten Jahren eine Spur erhöht wurden.“ Freilich sollten ausschließlich gesunde Fette in der Küche Einzug finden – im Besonderen in jene von Diabetikern. Sie sorgen nämlich unter anderem für ein natürliches Sättigungsgefühl, stellen die stärkste konzentrierte Speicherungsform von Energie dar und sind unerlässlich für die Funktion von Hormonen und Enzymen. Für Diabetiker von Interesse: Gesunde Fette verringern Schwankungen im Blutzuckerspiegel.
Beim Typ-1-Diabetiker sei zusätzlich zur Mischkost die Beurteilung der BE entscheidend, so Lechleitner: „Die funktionelle Insulintherapie, die der Diabetiker selbst durchführt, setzt sich aus dem Basis- und dem prandialen Insulin zusammen. Dabei wird Letzteres nach der Menge der zu sich genommenen BE und dem Korrekturfaktor Zucker bemessen.“

Kein Bedarf an speziellen Produkten

Diabetikerprodukte, die mittlerweile in so gut wie jedem Supermarkt ihren fixen Platz haben, werden von sämtlichen Diabetikergesellschaften als nicht mehr angezeigte Form der Nahrungsvariante für gut eingestellte Diabetiker bezeichnet. Lechleitner empfiehlt vielmehr: „Wenn Diabetiker der Gusto überkommt, dürfen auch sie hin und wieder ein normales Stück Schokolade essen, sollten dabei allerdings auf den Fettgehalt achten. Und: Die Betonung liegt natürlich auf ‚hin und wieder‘.“ Diabetikerprodukte – von der Konfitüre über den Sirup bis hin zu Keksen und Bonbons – werden hingegen als sinnlos angesehen, unter anderem weil sie häufig Fruchtzucker enthalten, der im Körper ebenso zu Fett umgewandelt wird. Außerdem findet sich in vielen diätischen Lebensmitteln Sorbit. Dieser Zucker­alkohol ist zwar ein natürlicher Süßstoff, wird aber auch als Zuckeraustauschstoff oder eben bei Diabetikerprodukten zum Süßen verwendet. Allein: „Während Sorbit bei gesunden Menschen keine Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel hat, können insulinpflichtige Diabetiker unter Umständen größere Mengen Sorbit nicht aufnehmen“, warnt die Diabetologin. Sorbit wird nämlich im Dünndarm resorbiert und dann über die Blutbahn in Leber und Nieren ausgeschüttet.
Die Resorption erfolgt jedoch derart langsam, dass ein individuell unterschiedlich großer Anteil in den Dickdarm gelangt, wodurch eine mögliche Umwandlung in Glukose ausfällt. Des Weiteren hat Sorbit die Eigenschaft Wasser anzuziehen.
Lechleitner: „Werden nun große Mengen davon aufgenommen, gelangt auch ein erheblicher Anteil davon in den Dickdarm und in der Folge führt der dadurch ausgelöste Wasser­einstrom zur Diarrhoe. Zudem wird Sorbit im Dickdarm zum Teil von Bakterien abgebaut, wobei Gase entstehen, die je nach aufgenommener Menge Blähungen, Bauchschmerzen und andere gastrointernale Beschwerden verursachen können.“

Glycklich

Seit einigen Jahren ist immer wieder von der sogenannten „Glyx-Diät“ zu lesen. Und wie immer gibt es Befürworter dieser Ernährungsart, bei der überwiegend Lebensmittel mit einem niedrigen glykämischen Index (GI) auf dem Speiseplan stehen sollen, sowie Kritiker.
Dabei mache es, so Internistin Lechleitner, für Diabetiker durchaus Sinn, darauf zu achten – mehr noch: „Der glykämische Index ist sogar essenziell. Schließlich ist er dafür verantwortlich, wie rasch der Blutzucker nach einer Mahlzeit ansteigt.“ Es handelt sich somit um einen Wert, mit dem die Wirkung eines kohlenhydrathaltigen Lebensmittels auf den Blutzuckerspiegel und in der Folge auf die Ausschüttung von Insulin bestimmt werden kann. Allerdings müssen zwei Dinge beachtet werden und zwar: Der glykämische Index hängt einerseits vom Nahrungsmittel selbst ab, andererseits aber auch von der Kombination und Zubereitung.
„So sind etwa komplexe Kohlenhydrate vorzuziehen. Sie bestehen aus langen Ketten von Zuckermolekülen, werden langsamer abgebaut und erhöhen den Blutzuckerspiegel nicht so stark und rasch“, so Monika Lechleitner. Also lieber Vollkornbrot als Semmel. Hinsichtlich der Zubereitung gilt es, Pellkartoffeln dem Kartoffelpüree vorzuziehen.
Letzteres kann auch in Bezug auf die Zusammensetzung als Beispiel dienen, denn vom glykämischen Index her ist es zum Beispiel ungünstig, Kartoffeln mit Milch oder Rahm zu kombinieren.
Ebenso sind Karotten alleine besser, als wenn diese in einer Rahmsauce auf den Tellern landen. Übrigens ergaben Studien, dass Menschen mit einer angeborenen Insulinresistenz nicht nur durch Bewegung, Nicht-Rauchen und Gewichtsnormalisierung das Risiko senken konnten, an Diabetes zu erkranken, sondern auch durch eine Ernährung mit komplexen Kohlenhydraten.

Therapie Aktiv

Rund 500.000 Österreicher sind zuckerkrank und jährlich kommen etwa 25.000 dazu. Bei 80 Prozent der Fälle handelt es sich um Typ-2-Diabetiker. In Bezug auf die Betreuung stehen hierzulande verschiedene Modelle zur Verfügung, wobei das Programm Therapie Aktiv mit Ausnahme Burgenland flächendeckend angeboten wird. Dabei werden die Ärzte einer strukturierten Diabetikerschulung unterzogen.
Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner: „Da wir uns größtenteils in der Versorgungsstufe 1 befinden, dient der praktische Arzt als wichtige Drehscheibe.“        cm

Foto: fotolia

Glykämischer Index (GI)

  • Meiden: Lebensmittel mit GI > 70 (z. B. weißes Toastbrot, weißer Reis, Zucker, gezuckerte Cerealien, Chips, Cola)
  • Ab und zu genießen: Lebensmittel mit GI zw. 50 und 70
    (z. B. Bananen, Pellkartoffeln, Basmati-, Naturreis, Bulgur)
  • Empfehlenswert: Lebensmittel mit GI < 50 (z. B. Buchweizen, Roggenvollkornbrot, Vollkornnudeln al dente, Kichererbsen, Linsen, Soja, Wildreis, die meisten Obst- und Gemüsesorten)

Link: Therapie Aktiv – http://diabetes.therapie-aktiv.at