Clever entwickelt
Neue Technologien gehören zum jährlichen Pflichtprogramm der Uhrenindustrie. Die Kür hingegen sind Innovationen, die für den Uhrenträger auch wirklich Sinn machen. Hier sind die nützlichsten Innovationen des Jahres.
Ob Schutz gegen negative Einflüsse wie Gravitation oder Magnetismus, ob Präzisionsoptimierung durch neue Materialien oder Integration neuartiger Funktionen – die Uhrenindustrie lässt uns jedes Jahr aufs Neue staunen, was sich alles in wenige Kubikzentimeter verpacken lässt.
Lebensretter, zweite Generation
Der erste Preis in Sachen Funktionsintegration geht 2013 an Breitling. Obwohl mit der 1995 vorgestellten „Emergency I“ bereits nachweislich Menschenleben gerettet werden konnten, investierte Breitling nochmals vier Jahre Entwicklungsarbeit in die optimierte „Emergency II“. Es handelt sich dabei um die erste Zweifrequenz-Notfunkbake fürs Handgelenk. Der Unterschied zur ersten Version: Man kann den Uhrenträger nicht nur orten, wenn er vermisst wird, sondern der Verunglückte kann nun auch aktiv einen Notruf absetzen. Das verkürzt die Wartezeit in prekären Situationen und erhöht die Überlebenschance ernorm.
Die Ausarbeitung des speziell konzipierten Zweifrequenz-Senders erforderte avantgardistische Lösungen in den Bereichen Mikroelektronik und Mikrotechnik, die in Zusammenarbeit mit einem in den Bereichen Weltraum, Verteidigung und Industrie spezialisierten Institut entwickelt wurden. Unter anderem ging es darum, einen neuen, ausschließlich auf dieses Instrument ausgerichteten Schaltkreis zu kreieren, um auf so ungewohnt kleinem Raum auf zwei Frequenzen senden zu können. Das Ergebnis: ein beispielloses Instrument der Kategorie PLB (Personal Locator Beacon) – Miniaturisierungs- und Betriebszuverlässigkeitsrekord inklusive.
Die zweite Herausforderung lag in der Energieversorgung des Senders. Nach den Vorgaben von Cospas-Sarsat muss eine Notfunkbake über eine Sendedauer von 24 Stunden verfügen – auch bei –20 °C. Weiters galt es, die Anforderungen des Zweifrequenz-Senders zu berücksichtigen, der abwechselnd mit unterschiedlichen Leistungen funktioniert und atypische Stromstöße verursacht. Nach zahlreichen Experimenten erwies sich ein Akku als bessere Variante gegenüber der herkömmlichen Batterie. Auch hier musste mit einem Spezialisten kooperiert werden. Fazit: Mit der in vielerlei Hinsicht revolutionären „Emergency II“ bestätigt Breitling erneut eindrucksvoll seinen Pionierstatus als Hersteller von „Instruments for Professionals“.
Perfekt für Mediziner
Wie Kollege Alexander Linz bereits in seinem Editorial zu dieser Ausgabe angekündigt hat, gibt es eine neue Omega Seamaster, die aufgrund ihrer innovativen Antimagnetismus-Technologie für Furore sorgt. Ärzte gehören zu jener Zielgruppe, die nicht erst von der Sinnhaftigkeit einer solchen Uhr überzeugt werden müssen, da ihnen die Omnipräsenz zahlreicher Magnetfelder in unserem Umfeld durchaus bewusst ist – vom iPad-Cover über unsichtbare Verschlüsse an Taschen, Schranktüren bis hin zu diversen technischen Geräten. All diese Objekte verfügen über ein mehr oder minder starkes Magnetfeld. Eine mechanische Armbanduhr wird davon beeinträchtigt, da in ihr zahlreiche Komponenten magnetisierbar sind und magnetische Energien speichern können. Dadurch wird die Feinmechanik des Uhrwerks entweder beschleunigt oder gebremst. Bei starker Magnetisierung kann das Uhrwerk sogar stehen bleiben. Der Uhrmacher muss es dann fachmännisch entmagnetisieren.
Das gängigste System, eine Armbanduhr vor Magnetfeldern zu schützen, ist ein Innengehäuse aus Weicheisen, welches das Uhrwerk abschirmt. Die Nachteile dieser Lösung: Die Uhren werden durch die zusätzliche Gehäuseschicht sehr „dick“ und man kann selbstverständlich keinen transparenten Gehäuseboden einbauen.
Omega hat sich daher für einen anderen Weg entschieden und entwickelte ein Uhrwerk, das ausnahmslos aus antimagnetischen Komponenten besteht. Das erste Werk dieser Bauweise ist das Omega-Automatikkaliber 8508. Bis zu 15.000 Gauß lassen es unbeeindruckt weiterlaufen – das sind fünfzehnmal Mal mehr als die berühmte Rolex „Milgauss“ verkraften kann. Mit dieser Entwicklung ist Omega nach der Co-Axial-Hemmung ein weiterer Geniestreich gelungen. Mittel- bis langfristig ist sogar geplant, Schritt für Schritt alle Omega-Kollektionen mit antimagnetischen Uhrwerken auszustatten.
Neues Unruh-System
Was die einen zu neutralisieren versuchen, bauen die anderen sogar ins Zentrum ihrer Uhr ein! Dieses Paradoxon macht zumindest für TAG Heuer durchaus Sinn. Vor nunmehr drei Jahren präsentierte die Marke bereits als Konzept das sogenannte „Pendulum“ – ein Uhr ohne Spiralfeder. Diese wurde durch vier Magnete ersetzt – zwei fixen und zwei drehenden. Der entscheidende Vorteil: Im Gegensatz zur klassischen Spiralfeder spielt die Schwerkraft keine Rolle mehr. Die Amplitude bleibt stabil und die höhere Frequenz wirkt sich positiv auf die Gangstabilität aus. Auf dem Weg von der Konzeptuhr zur Serienproduktion mussten allerdings noch einige Probleme gelöst werden, allen voran die Anfälligkeit der Magneten gegenüber Temperaturschwankungen. Nun, nach drei weiteren Jahren, hat TAG Heuer die „Carrera Mikropendulum“ tatsächlich zur Serienreife gebracht. Durch intensive Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten und Magnetherstellern sei es gelungen, eine eigene ferromagnetische Metalllegierung zu finden, welche die Temperaturempfindlichkeit zwischen –20 und
+70 Grad Celsius nahezu auf Chronometerniveau* bringt. Das zweite Problem habe man durch eine genau berechnete Geometrie der Magnete erreicht. Die Magnete selbst werden wiederum durch einen Weicheisenring vom Rest des Uhrwerks abgeschirmt.
Die „Carrera Mikropendulum 100“ besitzt ein Pendulum für den Chronograf-Mechanismus und eine klassische Hemmung mit Spiralfeder (28.800 A/h) für die Anzeige der Uhrzeit. Das Pendulum schwingt mit 50 Hertz (360.000 A/h), sodass der Chronograf Hundertstelsekunden messen kann.