Betongold glänzt nach wie vor
Der Wiener Wohnungsmarkt 2015 zeichnete sich durch ein großes Angebot, eine starke Nachfrage und nicht weiter steigende Preise aus. Besonders Immobilien für Zielgruppen wie Singles oder Senioren liegen im Trend.
Wer die richtige Vorsorgewohnung kauft, kann im Moment anscheinend nichts falsch machen. In Wien, so sind sich alle Marktteilnehmer einig, werden zu wenige Wohnungen gebaut. Für Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter von EHL Immobilien, gab es zeit seiner Tätigkeit in der Immobilienwirtschaft schlicht „noch nie so ein großes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wie jetzt“. Was er dabei aber auch betonte: Der Wohnungsmarkt sei mittlerweile „sehr transparent“ geworden und die Kunden seien in aller Regel „sehr gut informiert“. Gefragt auf dem Markt sind großteils kleinere, kompakte Wohnungen. Laut Ehlmaier gibt es einen regelrechten „Run“ auf 2- und 3-Zimmer-Wohnungen mit Größen zwischen 50 und 80 Quadratmeter, „aber stark abhängig von der Mikrolage“. Vor allem sei „… die Angebotslücke im frei finanzierten und geförderten Bereich enorm“, betont BUWOG-Geschäftsführer Andreas Holler. Allein im Vorjahr sei Wien um 43.200 Einwohner gewachsen. Nachdem die durchschnittliche Haushaltsgröße bei zwei Personen liegt, ergebe allein dieser demografische Anstieg 2015 einen zusätzlichen Bedarf von 21.600 Wohnungen. Auch die Ausweitung der Fertigstellungszahlen auf rund 7.000 neue Wohnungen im Jahr 2015 reicht nicht aus, um den zusätzlichen Bedarf zu decken.
Mehr Bedarf an neuen Wohnungen
Der Wiener Wohnungsmarkt wird 2016 noch stärker als in den Vorjahren durch das starke Bevölkerungswachstum der Stadt geprägt sein. Der Nachfrageüberhang wird sich damit vor allem im Bereich der kostengünstigeren Wohnungen weiter verschärfen, während in den höheren Preiskategorien die schwache Wirtschaftsentwicklung die Nachfrage etwas dämpft. Wie in den vergangenen Jahren kam es auch 2015 zu einer moderaten Erhöhung der durchschnittlichen Mieten um rund 1,5 Prozent und der Kaufpreise von Eigentumswohnungen um 3 Prozent. Die Nachfrage ist auf hohem Niveau stabil, Leerstände gibt es praktisch nicht. Für 2016 wird ein Anstieg der Mieten um durchschnittlich 1,25 Prozent, ein Anstieg der Eigentumswohnungspreise in durchschnittlichen Lagen um zwei Prozent und in guten bis sehr guten Lagen um drei Prozent erwartet.
Keinen Preisanstieg gibt es nur im absoluten Luxussegment über 10.000 Euro pro Quadratmeter, obwohl sich auch hier die Nachfrage nach einem Rückgang infolge der Russlandsanktionen und der Ukrainekrise wieder stabilisiert hat. Im gehobenen Preisbereich für hochwertige Wohnungen in den Bezirken innerhalb des Gürtels sind die Preise im Vorjahr um rund 2 Prozent gestiegen. „Die Nachfrage nach teuren Wohnungen ist weiterhin gut, es gibt kaum Leerstände, neue Objekte sind meist bereits bei Fertigstellung zum Großteil verwertet und ein Quadratmeterpreis von rund 4.000 Euro für hochwertige Wohnungen wird mittlerweile bestens akzeptiert“, erklärt Sandra Bauernfeind, Leiterin des Bereichs Wohnen bei EHL Immobilien.
„In Wien boomte 2015 der Markt für Eigentumswohnungen, was zu einem Gutteil mit den steuerlichen Änderungen zu tun hatte, die mit Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten sind“, ergänzt Wilhelm Fetscher, Geschäftsführer von RE/MAX DCI, mit drei Immobilien-Büros in Wien sowie Büros in Tulln, Korneuburg-Stockerau und Mödling. „Deshalb sind viel mehr Wohnungen auf den Markt gekommen und auch bedeutend mehr Transaktionen durchgeführt worden. Preissteigerungen sind 2016 aber nicht mehr in den Top-Bezirken, sondern im 11., 15. und 16. Bezirk – also eher Gegenden mit Entwicklungspotenzial – zu erwarten.“
Kerngesunder Wohnungsmarkt
Fetscher ortet eine Differenzierung in der Preisentwicklung: Hochpreisige Luxusobjekte, wie etwa Dachgeschoßwohnungen in den Nobelbezirken, haben derzeit eine deutlich längere Vermarktungszeit und erzielen bei Weitem nicht mehr Preise wie in der Vergangenheit. Der Grund dafür sei, dass die Käufer dieser Objekte oftmals nicht aus Österreich, sondern häufig aus Osteuropa kamen. Dieser Käuferstrom ist aufgrund der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Gründe beinahe komplett versiegt und die potenziellen Käufer aus dem arabischen Raum, China oder Indien wiegen diesen Rückgang bei Weitem noch nicht auf. „Bei allen anderen Objekten, bei denen das Preis-Leistungsverhältnis stimmt und die Käuferschicht groß genug ist, gibt es eine ausreichend große Nachfrage“, analysiert Fetscher. Generell ist in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Immobilie als Wertanlage deutlich gestiegen, „was natürlich auch mit dem derzeitigen Zinsniveau zu tun hat“.
Daher bleiben für DI Sandra Bauernfeind, Leiterin der EHL-Wohnungsabteilung und Geschäftsführerin der Tochtergesellschaft EHL Immobilien Management, Vorsorgewohnungen auch künftig eine sehr interessante Investition. „Vorsorgewohnungen stellen eine stabile, inflationsgeschützte Veranlagung im frei finanzierten Mietzins dar.“ Die Preise werden sich aufgrund des Nachfrageüberschusses weiterhin nach oben entwickeln. „Die Mieten werden auch in Zukunft langsamer als die Preise für Eigentumswohnungen steigen. Der Wiener Wohnungsmarkt ist also kerngesund“, sieht Bauernfeind keine Gefahr einer Immobilienblase.
Stellt sich die Frage: Wie groß sollte eine optimale Vorsorgewohnung sein? Nicht zu groß, heißt es dazu bei allen Anbietern unisono. Drei Zimmer und 65 Quadratmeter hat Österreichs durchschnittlich gesuchte Mietwohnung. Dafür sind die Österreicher bereit, monatlich rund 850 Euro Miete zu berappen. Das ergab eine Auswertung von ImmobilienScout24 unter mehr als 20 Millionen Suchanfragen auf den Portalen ImmobilienScout24 und Immobilien.net aus dem Jahr 2015. 2010 waren noch 73 Quadratmeter gefragt, das bedeutet ein Minus von 11 Prozent. Wobei die Salzburger höhere Preise gewohnt sind: 1.000 Euro würden Salzburgs Wohnungssuchende für die Miete veranschlagen, dafür darf es ein bisschen größer sein – nämlich 70 Quadratmeter. Die Steirer hingegen sind die Sparmeister Österreichs. Mehr als 600 Euro pro Monat soll die Miete nicht betragen. Dafür sind die steirischen Mieter mit 60 Quadratmeter zufriedengestellt. „Die Trends der letzten Jahre setzen sich fort. Die Realeinkommen konnten mit den Preissteigerungen am Immobilienmarkt nicht mithalten. Wohnbudgets bleiben – in einem Finanzierungsumfeld mit relativ hoher Eigenkapitalquote – relativ unverändert und die Österreicher müssen sich daher mit weniger zufriedengeben. Das sieht man sowohl bei der Fläche als auch bei den Ausstattungsmerkmalen, bei denen man sich bescheidener zeigt“, so Dr. Patrick Schenner, Geschäftsführer von ImmobilienScout24 in Österreich.
Lage und Zielgruppe
Wie bei allen Immobilieninvestments ist die Mikrolage entscheidend – aber nicht nur, wie Bauernfeind betont. Auch die Lage im Haus selbst ist für die zu erzielende Rendite entscheidend. „Die Preise gehen mit jedem Stockwerk ein wenig in die Höhe. Mit dem höheren Kaufpreis sinken die Renditen“, gibt die Wohnimmobilien-Expertin zu bedenken.
Stellt sich wiederum die Frage, ob man nicht in der Vermietung exklusiver Wohnungen an eine exklusive Klientel – Diplomaten & Co. – auch auf hübsche Renditen kommen könnte. Für Bauernfeind ist das ein riskanter Nischenmarkt. „Ohne entsprechende Kontakte würde ich davon abraten.“ Man dürfe vor allem das erhöhte Leerstandsrisiko dieser Objekte nicht vergessen. „Wer sich eine Miete über 1.800 Euro pro Monat leisten kann, denkt ans Kaufen. Zudem habe sich die Wohnpolitik in den Botschaften grundlegend geändert. „Bis vor einigen Jahren haben die Botschaften angemietet. Heute bekommt der Botschafter ein Budget. Je preiswerter, günstiger er wohnt, desto mehr bleibt ihm.“ Eine Entwicklung, die Bauernfeind auch bei internationalen Unternehmen zunehmend sieht.
Dass es ohne Kontakt in die Szene nicht geht, bestätigt auch Aslan Kurtaran, geschäftsführender Gesellschafter von Expat Consulting Real Estate & Relocation Services GmbH. „Das diplomatische Personal kommt nicht nach Wien und sucht, sondern sucht, findet und kommt dann.“ Wer also weiß, welcher Botschaftsposten wann und vor allem von wem neu besetzt wird, ist eindeutig im Vorteil. „Dieser Zugang fehlt den meisten Vermietern von exklusiven Wohnungen.“
Welche Wohnungen suchen also die Unternehmen für ihre Expats? „Das ist ganz unterschiedlich, das geht von Pärchen, die eine Wohnung in der Innenstadt suchen, bis zu Eltern mit Kindern, die Wohnungen in Grünlage suchen.“ Der Zustand müsse ausgezeichnet sein, ansonsten unterscheiden sich Expat-Ansprüche nicht von denen anderer Luxusmieter. „Die Bezirke 1 bis 9, 13, 18 und 19 stehen hoch im Kurs. Viele Mitarbeiter der UN-Organisationen wollen gerne im Grünen wohnen und rasch an ihrem Arbeitsplatz sein. Da sind der 21. und 22. Bezirk ideal.“ Besonders beliebt sind vor allem bei Familien Immobilien in der Nähe der Vienna International School bzw. der American International School Vienna. Je höher im Rang, desto eher werden repräsentative Villen gesucht. Dafür ist man dann auch bereit, etwas tiefer in die Tasche zu greifen. „Wenn alles passt, Größe, Umfeld etc., werden schon einmal Mieten von 5.000 bis 6.000 Euro bezahlt.“ Der Vorteil von Expatriates als Mieter sei, dass sie im Allgemeinen Niveau haben und die Miete regelmäßig bezahlen. „Der Nachteil ist, dass Expats nur drei bis fünf Jahre bleiben.“ mn