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Belastender Spitalsalltag

Zeitdruck und Verwaltungsaufgaben machen den Spitalsärzten das Arbeitsleben schwer. Darunter leiden insbesondere die Turnusärzte. Damit wir auch in Zukunft ein Land mit Ärzten sind, braucht es Lösungen – und deren rasche Umsetzung.


Dr. Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer

Dass die Arbeitsbedingungen an heimischen Spitälern zu wünschen übrig lassen, ist nichts Neues. Vielmehr belegen Studien immer wieder, dass der Arbeitsalltag als „belastend“ empfunden wird. Seit mittlerweile zehn Jahren führt das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) im Auftrag der Bundeskurie Angestellte Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) alle drei Jahre eine Umfrage unter Österreichs Spitalsärzten durch und die Tatsache, dass auch die letzte im Mai 2013 durchgeführte Befragung dieselben oder zumindest ähnliche Ergebnisse lieferte wie in den Jahren zuvor, sollte doch zu denken geben.
Obwohl: Ein paar Veränderungen, um nicht zu sagen Verbesserungen hat die aktuelle Studie, an der wiederum 2.000 Spitalsärzte teilgenommen haben, doch hervorgebracht: Laut ÖÄK-Vizepräsident und Kurienobmann Dr. Harald Mayer sei nämlich die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Vergleich zu den Vorjahren leicht zurückgegangen und liege derzeit inklusive Nachtdiensten bei 54 Stunden.

Arbeitszeiten und andere Belastungen

„2006 haben die Spitalsärzte noch 59 Stunden pro Woche gearbeitet. Das ist zwar kein übermäßig hoher Rückgang, aber es bewegt sich etwas“, ist Mayer zuversichtlich, obwohl die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden von der gewünschten Arbeitszeit nach wie vor meilenweit entfernt zu sein scheinen: Österreichische Spitalsärzte wünschen sich nämlich im Durchschnitt eine Arbeitszeit von maximal 42 Stunden pro Woche.
Im Hinblick auf die maximal zulässige durchgehende Dienstdauer hat die Bundeskurie bereits im April dieses Jahres gefordert, diese auf 25 Stunden zu begrenzen – derzeit ist es erlaubt, dass Spitalsärzte mitunter bis zu 32 Stunden, an Wochenenden sogar bis zu 49 Stunden durcharbeiten. In der Umfrage sprachen sich 76 Prozent der Befragten dafür aus, diese Forderung umzusetzen und damit dem, laut Mayer, „legalisierten Raubbau an der Gesundheit der Ärzte“ ein Ende zu setzen.
Auch die Nachtdienste sind ein Dorn im Auge der Ärzte – insbesondere in jenem der Turnusärzte, die mit bis zu 5,9-mal pro Monat die meisten Nachtdienste verrichten. Im Durchschnitt gaben die Befragten an, pro Monat 4,2 Nachtdienste absolviert zu haben, Primarärzte kommen übrigens auf maximal drei Nächte.
Abgesehen von der Arbeitszeit tragen unter anderem „schwierige Patienten“, „chaotische Arbeitsorganisation“ und der „ständige Wechsel der Arbeitsabläufe und -anforderungen“ dazu bei, dass Spitalsärzte ihren Job als belastend empfinden. An oberster Stelle steht jedoch der Zeitdruck: 40 Prozent der Befragten gaben bei der Umfrage im Mai an, stark unter Zeitdruck zu stehen. 2010 waren es noch 37 Prozent, bei der ersten Befragung im Jahr 2003 „nur“ 34 Prozent. „Das ist ein Aufwärtstrend, den wir unbedingt stoppen müssen“, betont Kurienobmann Mayer.
Dass die Ärzte immer mehr Zeit mit administrativen Tätigkeiten verbringen, verstärkt den Zeitdruck freilich: In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der Arbeitszeit, der für Verwaltungsaufgaben anfällt, von 30 auf 36 Prozent angestiegen. Darunter leidet die ärztliche Tätigkeit, die nur mehr 57 Prozent der Arbeitszeit ausmacht (2003 waren es noch 63 Prozent). Zumindest blieb die Zeit, die für Forschung und Lehre aufgewendet wird, konstant bei sieben Prozent. „Diese Zahlen zeigen“, so Mayer, „dass die Installation von Administrationsassistenten, wie es die Bundeskurie wiederholt gefordert hat, dringend notwendig ist.“ Davon würden insbesondere die Turnusärzte profitieren, die mit bis zu 52 Prozent am meisten Zeit den administrativen Tätigkeiten widmen. Zeit, die den Turnusärzten für ihre Ausbildung fehlt.

Apropos Turnusärzte...

Was die Ausbildung anbelangt, muss allerdings gesagt werden: Auch hier gibt es Verbesserungspotenzial, schließlich ergab die österreichweite Online-Umfrage, die im August 2011 von der ÖAK initiiert wurde und auf drei Jahre angelegt ist, bislang lediglich eine Durchschnittsnote von 2,79 auf der Schulnotenskala. Das ist bedenklich, liegt doch die Zukunft des heimischen Spitals- und Gesundheitswesen in den Händen dieser jungen Mediziner – jedenfalls sollte das so sein. Die jungen Kollegen seien zwar mit viel Freude bei der Sache, was nicht zuletzt die hohe Beteiligungsquote widerspiegle, doch laut Mayer arbeiten sie schon jetzt häufig am Limit: „Sie brauchen berufliche Perspektiven, ansonsten werden viele von ihnen ins Ausland abwandern oder den Arztberuf gar nicht ausüben.“
Fakt ist, dass mittlerweile in fast allen Bundesländern ein Turnusärztemangel herrscht – selbst in jenen Bundesländern, die bei der Evaluierung bislang gut abgeschnitten haben. So waren etwa in Salzburg Süd in den ersten Monaten dieses Jahres 15 bis 20 Prozent der Turnusärztestellen frei. Im Landesklinikum Waldviertel konnten Anfang des Jahres sogar acht von 17 Turnusarztstellen nicht mehr nachbesetzt werden. Betroffen sind somit vor allem kleinere Spitäler in der Peripherie, während Häuser in den Großstädten weitaus weniger Probleme haben, die für die Ausbildung von Turnusärzten vorgesehenen Stellen zu besetzen – unter anderem weil die großen Häuser in den überwiegenden Fällen sämtliche Fächer anbieten und somit den Jungmedizinern eine umfassende Ausbildung anbieten können. Um den Nachwuchsproblemen Herr zu werden, liegt es freilich an den Trägern, Dokumentationsassistenten zu installieren, für eine Optimierung der Arbeitsbedingungen und damit eine adäquate Ausbildung zu sorgen. Mit anderen Worten: Es gilt, das von der ÖAK aufgestellte Turnusärzte-Tätigkeitsprofil auch umzusetzen.

„Alt werden“ im Spital

Doch es mangelt nicht nur am Nachwuchs: 89 Prozent der Befragten haben in ihrem Krankenhaus Personalknappheit registriert, wobei 76 Prozent darin ein „gravierendes Problem“ im Hinblick auf die Zukunft des Gesundheitswesens sehen. Diese Problematik wird dadurch verschärft, dass 64 Prozent – darunter vor allem zahlreiche junge Ärzte – es für unwahrscheinlich hielten, bis zu ihrer Pensionierung im Spital zu arbeiten. Für Kurienobmann Harald Mayer ist klar, dass dies mit den zahlreichen Belastungen zusammenhängt, denen die Ärzteschaft physisch und psychisch tagtäglich ausgesetzt ist: Es brauche Konzepte, um (ältere) Spitalsärzte zu entlasten und so zu verhindern, dass sie vorzeitig aus dem Spitalsbetrieb ausscheiden würden, was auch den Verlust wertvoller Expertise und Erfahrung bedeuten würde. „Wenn wir untätig bleiben, steuern wir mit Vollgas in einen Ärztemangel“, warnt Mayer und fordert einmal mehr, Verwaltung, Dokumentation, Administration, Arbeitszeit und Work-Life-Balance zu optimieren: „Unsere Arbeit muss sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren: die medizinische Betreuung der Patienten.“