Aus alt mach neu
Der Markt an modernen Einfamilienhäusern im Speckgürtel rund um Wien ist ausgetrocknet. Häuser aus den 1950er-, 1960er- und 1970er Jahren sind noch zu haben. Doch Vorsicht: Der Sanierungsbedarf ist oft hoch.
Trotzdem lohnt es sich, diese Häuser genauer unter die Lupe zu nehmen. So manch hässliches Entlein lässt sich in einen Schwan verwandeln.
Häuser aus den 1950er- und 1960er-Jahren gelten als ärmlich, unansehnlich, energetisch furchtbar. Kritiker sagen sogar, sie stünden für die geistige und räumliche Enge einer ganzen Epoche. Komfort und Extras sucht man aber in vielen Fällen vergeblich. Das Dach ist nur als Abstellkammer nutzbar. Der Grundriss zumeist völlig unzeitgemäß: Mini-Küche, kleine Badezimmer und unterdimensionierte, viel zu dunkle Kinderzimmer, in denen sich höchstens noch der Haushund wohlfühlt. Weil damals Energie billig, Materialien aber teuer waren, sind die Wände solcher Häuser mit durchschnittlich 24 Zentimetern viel zu dünn für heutige Ansprüche. Ausgerechnet hinter den Heizkörpern waren die Wände üblicherweise noch schmaler. Auf den zweiten Blick aber offenbaren diese Häuser enormes Potenzial. „Sie liegen meist zentraler als solche in Neubaugebieten, es gibt gewachsene Strukturen im Umfeld und man weiß, mit welcher Nachbarschaft man es zu tun hat“, so Architekt Mag. Gerhard Fritz. „Was aber nicht immer ein Vorteil ist.“
Bleibt die Frage der Bewertung. Was kauft man da eigentlich? In welchem Zustand befinden sich Dach, Keller oder Fundament? Wo lauern womöglich versteckte Schäden? Für derlei Analysen, so Fritz, sollte man einen Fachmann zu Rate ziehen. Erst nach dessen Einschätzung kann man die Kosten einer Sanierung mit der eines möglichen Neubaus vergleichen. „Die Sanierung ist nicht, wie viele denken, halb so teuer wie ein Neubau“, mahnt Fritz zu Realitätsnähe. „Außer Sie sind zu Eigenleistungen bereit. Dann kann man schon ein schönes Sümmchen sparen.“
„Häuser, die lange leer stehen, haben häufig einen überdurchschnittlichen Sanierungsbedarf. Bei vielen Sanierungsprojekten werden die Kosten unterschätzt“, mahnt der Architekt. Auf jeden Fall sollte man einen Fachmann zu Rate ziehen. „Wer zu billig kauft, kauft vielleicht teuer, zu teuer. Da kann sich ein Schnäppchen schon als großes Sparschwein herausstellen.“
Nicht immer zahle sich eine Sanierung auch wirklich aus. „Eine thermisch-energetische Sanierung kann unter Umständen sogar über die Kosten eines Abrisses und anschließenden Neubaus hinausgehen“, sagt Mag. Stefan Seidelmann, Geschäftsführer der IWA Real Immobilien GmbH.
An-, Zu- und Ausbau
Und es ist schon erstaunlich, was sich aus alten Gemäuern machen lässt. Vor allem junge Architekten haben in der Sanierung von Einfamilienhäusern eine lukrative Nische gefunden – vor allem weil es für sie immer schwieriger wird, in großen Architekturbüros unterzukommen. Das Gute daran: Nun haben auch private Bauherren die Möglichkeit, kostengünstig ihren Anwesen attraktive Gesichter zu verleihen. Seidelmann: „Hat man das Glück, ein großes Grundstück zu besitzen, lässt sich mit einem Anbau zusätzlicher Wohnraum schaffen.“ Häufig geht mit dem Anbau auch eine architektonische Aufwertung des möglicherweise schon etwas in die Jahre gekommenen Gebäudes einher. Zwar lassen sich Anbauten aus Stein oder Beton realisieren, vielfach werden heute aber Anbauten in Trockenbauweise mit Holz und somit ein schönes Nebeneinander von Alt und Neu realisiert. Ist das Grundstück zu klein, kommt als Alternative eine Aufstockung infrage. „Aus Gründen der Statik der vorhandenen Bausubstanz wird auch bei der Gebäudeaufstockung häufig die Leichtbauweise mit Holzkonstruktionen angewandt. Es muss aber nicht unbedingt eine Gebäudeaufstockung sein“, betont Seidelmann. Auch eine Mansarde lässt sich verändern. Der Dachboden wird bei älteren Gebäuden oftmals vernachlässigt. Zwar ist einer größeren Flächennutzung häufig der Neigungswinkel des Daches im Weg, aber für ein kleines Büro, ein TV-Zimmer oder einen Hobbyraum ist meistens Platz.
Wer auf der Suche nach mehr Wohnraum in der Höhe nicht fündig wird, hat ein paar Etagen tiefer möglicherweise mehr Erfolg. Der Keller ist oft nur ein Abstellraum, in dem sich viele unnütze Dinge befinden, die längstens auf den Müll gehören. In vielen Fällen lässt sich ohne riesige Investitionen auch ein Keller ans Heizungssystem anschließen und mit zusätzlichen Stromanschlüssen, einem Parkett- oder Korkboden, einem neuen Anstrich und der richtigen Beleuchtung schafft man schnell zusätzlichen Wohnraum. Dies gilt auch für die Garage. Auch sie lässt sich zu Wohnraum umgestalten, während das Auto in einem Carport außerhalb des Gebäudes ein neues Zuhause findet. Fast schon von selber ergibt sich mehr Raum, wenn im Haus die alte Ölheizung abgelöst wird und der Öltank entsorgt werden kann. Lassen sich all diese Lösungen nicht bewerkstelligen, bleibt immer noch die Möglichkeit, den bereits vorhandenen Wohnraum zu erweitern oder neu aufzuteilen. Eine beliebte Form der Wohnraumerweiterung und gleichzeitig Verbindungsstück ins Grüne ist ein Wintergarten. Je nachdem, ob dieser beheizt wird oder nicht, gewinnt man für mehrere Monate oder ganzjährig zusätzlichen Wohnraum. Mehr Platz kann auch durch Mauerdurchbrüche, eine Versetzung von Treppenaufgängen oder generell durch eine Neuordnung des Grundrisses erzielt werden.
Musterbeispiele
Angesichts der hohen Sanierungskosten hat sich Max Schinko, Grafiker in Weiden am See, mit seiner Frau entschlossen, das von den Großeltern seiner Frau erbaute Haus von Grund auf, aber mit viel Eigenleistung, zu sanieren. Zuerst waren die Wohnräume dran. „Wir wollten uns im Haus von Anfang an wohlfühlen.“ Jetzt folgen die Details. „Es scheint, als würde man nie fertig, meiner Frau geht alles viel zu langsam“, so Schinko und hat auch gleich einen Tipp parat. „Alles exakt, vorausschauend planen. Das machen wir dann später – das geht in vielen Fällen nicht.“ So wurde bei der Sanierung des Zimmers der Tochter ein Kamin eingebaut, der zurzeit noch ohne Funktion ist. „Nach dem Dachausbau wird dieser dann auch angeschlossen.“ Wann dieser erfolgt, steht noch nicht fest. „Jetzt ist einmal der Keller dran.“ Zuletzt soll dann auch noch für den begeisterten Bastler eine eigene Werkstatt her. „Das kann aber noch dauern.“
Wie harmonisch sich Neues und Altes kombinieren lassen, zeigt ein mit dem Architekturpreis des Landes Burgenland ausgezeichnetes Projekt in Pöttelsdorf. Zwei Einzelgebäude aus dem Jahr 1867 sollten wieder zu einer Einheit verbunden und zeitgemäßer Wohnraum für eine Familie geschaffen werden. Diese Aufgabenstellung löste das Architekturbüro gerner°gerner plus mit einem einfachen und klaren Konzept. Die beiden bestehenden Hauptgebäude wurden durch einen Zubau entlang der straßenseitigen Mauer miteinander verbunden. Der Zubau wurde durch raumhohe Schiebetüren aus pulverbeschichteten Aluminiumprofilen gestaltet. Durch sie öffnet sich der Raum auf der gesamten Längsseite zum Hof und wird mit weichem Nordlicht hell, aber blendfrei belichtet. m
Energetische Schwachstellen
Jede Architektur-Epoche hat ihre typischen energetischen Schwachstellen hervorgebracht.
Für Häuser zwischen 1960-1980 sind dies:
- Keine Dämmung von Fassade, Kellerdecke, oberster Geschossdecke, Dachstuhl, Rollladenkästen, Heizwasserleitungen, Warmwasserleitungen, Bodenplatte
- Bodenplatte oft nicht vorhanden
- Wärmebrücken (z. B. durchlaufende Geschossdecke zum Balkon)
- Veraltete Heizkörper, Heizungsöfen oder Brenneranlagen, Warmwasserbereiter (häufig Gasdurchlauferhitzer oder elektrische Warmwasserspeicher)
- Einfachverglasung von Fenstern und Türen, später in der 80er-Jahren Verbundverglasung, aber keine Isolierverglasung von Fenstern und Türen