Aus 2 mach 1
Auch wenn bei einer Wohnungszusammenlegung keine Gangflächen miteinbezogen werden, bedarf sie der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer.
qDie kleine Wohnung gleich neben der Ordination war zu haben. Fein, dachte sich Internist Hugo G. Der Kaufpreis war in Ordnung. Mit nur einem kleinen Mauerdurchbruch wollte der Jungarzt seine Ordination vergrößern. Die vergangenen Jahre waren wirtschaftlich sehr erfolgreich gelaufen. Der Patientenstock hatte sich in knapp eineinhalb Jahren beinahe verdoppelt. Ein zweites Behandlungszimmer war immer schon sein Traum gewesen. Doch der Internist hatte in diesem Fall die Rechnung ohne den Wirt – besser gesagt ohne seine Miteigentümer – gemacht.
Auf den ersten Blick schien alles einfach. Nebenwohnung kaufen und mit einem Mauerdurchbruch verbinden, einrichten und los geht’s. Doch es kam anders. Zwei Nachbarn bekamen Wind von der Sache und legten sich quer. Noch bevor der Jungmediziner die Mauer einreißen konnte, fand er ein Schreiben der Anwälte der beiden Nachbarn in seinem Postkasten. Da war es vorerst aus mit dem Traum und Hugo G. fiel aus allen Wolken.
Nutzungsrecht statt Eigentum
Denn selbst wenn man Eigentümer beider Objekte ist, darf man die beiden Wohnungen nicht einfach zu einer größeren Ordination zusammenlegen. „Dafür ist die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer im Haus erforderlich“, mahnt Rechtsanwalt MMag. Dr. Ernst Denk, Denk Kaufmann Fuhrmann Rechtsanwälte OG. Oft sehen sich Wohnungseigentümer als „Eigentümer ihrer Wohnung“ und verstehen nicht, dass die Miteigentümer bei Veränderungen ihrer Wohnung mitreden dürfen. Gemäß § 2 Abs 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ist Wohnungseigentum das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen. „Der Wohnungseigentümer ist daher nicht Eigentümer seiner Wohnung, sondern nur Nutzungsberechtigter“, stellt Denk klar. Verbindet ein Wohnungseigentümer seine Objekte, ohne die Zustimmung aller anderen Miteigentümer eingeholt zu haben, kann theoretisch jeder einzelne Miteigentümer Rückbau und Unterlassung verlangen.
Wie kommt man bei einer genehmigungspflichtigen Änderung zur Zustimmung der übrigen Miteigentümer? Da heißt es im schlimmsten Fall Klinkenputzen, weiß der Anwalt aus der Praxis zu berichten. „Am besten ist, wenn alle Miteigentümer freiwillig – am besten schriftlich – zustimmen“, erklärt Denk. „Es reicht auch nicht, wenn bloß die Mehrheit zustimmt – es müssen alle Eigentümer ohne Ausnahme zustimmen“, präzisiert der Immobilienexperte. Dies ist notwendig, wenn die geplante Maßnahme nicht vorweg – etwa im Wohnungseigentumsvertrag – erteilt worden ist. Unwirksam dagegen ist ein vertragliches Änderungsverbot für die Zukunft. Sich auf eine konkludente Zustimmung zu verlassen, ist nicht ohne Risiko. „Eine konkludente Zustimmung wäre gegeben, wenn sich Miteigentümer über einen längeren Zeitraum nicht gegen die Veränderung aussprechen“, sagt Denk. Darin könnte unter bestimmten Voraussetzungen eine stillschweigende Zustimmung erblickt werden. Voraussetzung dafür ist die Kenntnis der übrigen Miteigentümer von der Änderung und die Kenntnis ihres Untersagungsrechtes. Auch vor allein mündlichen Zustimmungen warnt der Anwalt. „Allein eine schriftliche Zustimmung bringt Rechtssicherheit.“
Außerstreitverfahren
Hugo G. hatte Pech. Seine beiden Kontrahenten waren nicht zu bewegen, ihre Zustimmung zu erteilen. Es blieb ihm nichts anderes übrig als sich an das Außerstreitgericht zu wenden, das die Zustimmung der Miteigentümer unter bestimmten Voraussetzungen ersetzen kann.
Verweigern andere Wohnungseigentümer ihre Einwilligung, bedeutet das noch lange nicht das Ende der Geschichte. In diesem Fall kann man sich an das Bezirksgericht wenden und die fehlende Zustimmung im Außerstreitverfahren ersetzen lassen. Wurde die Einholung der Genehmigungen im Vorfeld verabsäumt, kann ein solcher Antrag auch nachträglich gestellt werden. Das Gericht prüft, ob die gewünschte Maßnahme der Übung des Verkehrs entspricht und einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dient. Voraussetzung ist allerdings, dass die beiden Wohnungen einem Eigentümer gehören. Die Rechtsprechung hat die Genehmigung der Zusammenlegung von Wohnungen unterschiedlicher Wohnungseigentümer zu einer einzigen Wohnung abgelehnt (5 Ob 57/93 = JBl 1994, 547; 5 Ob 38/08m = Zak 2008/764, 436), weil damit ein Gesamtobjekt geschaffen würde, an dem zwei unterschiedlichen Personen Wohnungseigentumsrechte zukämen. Ein solches Ergebnis widerspräche dem in § 12 WEG – mit Ausnahme der Eigentümerpartnerschaft nach
§ 13 WEG – normierten Grundsatz der Unteilbarkeit eines Mindestanteils. Ein gemeinsames Eigentum zweier Personen an einem Mindestanteil ist jedoch nur unter der Voraussetzung der Begründung einer Eigentümerpartnerschaft zulässig.
Die Freude des Arztes über sein Obsiegen im Außerstreitverfahren währte nur kurz. Denn der Wohnungseigentumsvertrag für die neue Wohnung sah nur die Widmung „Wohnen“ vor. Erlaubt der Vertrag hingegen die Ausübung geschäftlicher Tätigkeiten, die üblicherweise in Wohnungen ausgeübt werden, so ist nach der aktuellen Rechtsprechung die Nutzung als Ordination gar keine Widmungsänderung und bedarf daher auch keiner Genehmigung. Grundsätzlich ist jeder Eigentümer zu Änderungen der Widmung berechtigt. Das WEG beschränkt jedoch diesen Anspruch – je nachdem wie stark in die Rechte des Einzelnen oder der Gemeinschaft eingegriffen wird.
Und hier kommen die Miteigentümer wieder ins Spiel. Wer einen anderen als den vertraglich vereinbarten Gebrauch anstrebt, braucht also die Erlaubnis der übrigen Eigentümer. Daran führt kein Weg vorbei. Sind nicht alle einverstanden, kann man die Zustimmung vom Gericht ersetzen lassen. In diesem Fall prüft der Außerstreitrichter, ob mit der Veränderung eine wesentliche Beeinträchtigung verbunden wäre. Ob es zum Beispiel durch verstärkten Patientenverkehr zu einer (größeren) Lärmbelästigung oder zu einer Gefahr für die Sicherheit der Bewohner kommen würde. Hugo G. befürchtet bereits das Schlimmste. mn