Asklepios – „notwendige“ oder „undurchdachte“ Initiative?
Wiener Ärzte haben die Gründung einer eigenen Ärztegewerkschaft initiiert. Das stößt bei vielen Kollegen auf Zustimmung, mancherorts aber auch auf erhebliche Skepsis.
Ausgearbeitete Statuten für die neue Ärztegewerkschaft „Asklepios – Gewerkschaft der angestellten Ärztinnen und Ärzte in Österreich“ liegen inzwischen bereits bei den Behörden zur Genehmigung auf. Die Initiatoren und Gründungsmitglieder – die Internistin Dr. Anna Kreil von der Krankenanstalt Rudolfstiftung und Dr. Gernot Rainer, Lungenfacharzt im Otto-Wagner-Spital Wien – erwarten schon bald den positiven Bescheid. Spätestens im März soll dann eine konstituierende Generalversammlung die offizielle Gründung der Gewerkschaft beschließen.
Anlass für die Initiative sei eine große Frustration vieler Ärzte wegen der stockenden Verhandlungen zu den Arbeitszeit- und Gehaltsregelungen für 12.000 Spitalsärzte in diesem Land, erläutert Rainer. „Wir fühlen uns von den verhandlungsführenden Gewerkschaften und deren Repräsentanten einfach nicht gut vertreten. Außerdem glauben wir, dass die bestehenden Gewerkschaftsstrukturen längst an ihre Grenzen gestoßen sind.“ Rainer kritisiert explizit das Verhalten der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB), in der die Spitalsärzte eine zahlenmäßig vergleichsweise kleine Untergruppe bilden. „Nur 22 Prozent der rund 3.000 im Wiener KAV angestellten Spitalsärzte sind überhaupt Mitglieder der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten“, sagt Rainer, was deren Verhandlungsposition nicht gerade stärken würde. Der Vorsitzende der GdG-KMSfB und Verhandlungsführer, Christian Meidlinger, sitze zudem als Gewerkschafter und gleichzeitig SPÖ-Gemeinderat zwischen zwei Stühlen.
Meidlinger weist die Kritik zurück und schreibt in einem Kommentar in der Ärzte-Woche von einer „sinnfreien Diskussion“. Er halte allein die Idee einer Ärztegewerkschaft für „völlig absurd“. Die Stärke jeden gewerkschaftlichen Agierens beruhe schließlich auf Einigkeit und gemeinsamem Auftreten, jede Aufsplitterung bedeute eine Schwächung der Verhandlungsposition, ist Meidlinger überzeugt. „Gewerkschaft ist mehr, als nur Prozentsätze zu fordern. Es geht nicht nur um Bezahlung, sondern auch um verschiedene Arbeitgeber, Dienst- und Pensionsordnungen, rechtliche Grundlagen sowie Gehaltsgesetze. Die Gewerkschaft ist der Solidarität verpflichtet und hat als gesellschaftspolitische Kraft ihre Aufgabe zu erfüllen.“
Unabhängige, starke Vertretung
Viele jener Wiener Ärzte, die von der GdG-KMSfB vertreten werden sollten, teilen allerdings Rainers Skepsis. Am Rande der kürzlich stattgefundenen Großkundgebung der Wiener Ärzteschaft für eine Erhöhung der Grundgehälter sagte etwa Dr. Stefan König, Unfallchirurgie im Donauspital: „Von der derzeit verhandelnden Gewerkschaft fühle ich mich nicht vertreten.“ Die Ärzte seien vor Verhandlungsbeginn schließlich nicht einmal gefragt worden, mit welchem Angebot die Gewerkschaft überhaupt in die Verhandlungen gehen sollte, begründet König seinen Unmut.
Königs Unmut wird von vielen Kolleginnen und Kollegen geteilt, die der neuen Gewerkschaft grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Zum einen sei es endlich notwendig, eine Gewerkschaft zu haben, die sich ausschließlich auf die Belange und Bedürfnisse der Ärzte konzentriert, zum anderen sei der Wunsch nach einer unabhängigen Vertretung groß. „Die neue Gewerkschaft halte ich für notwendig. Wir brauchen eine starke und exklusive Vertretung für die angestellten und die beamteten Ärzte“, sagt etwa der Urologe Dr. Michael Scholz. Er begrüßt vor allem, „dass die neue Gewerkschaft politisch unabhängig sein will. Viele von uns Ärzten wollen sich nicht länger von den politischen Parteien vereinnahmen lassen.“ Die von Meidlinger skizzierte Gefahr einer Aufsplitterung – und damit Schwächung – der Kräfte sieht Scholz nicht: „Das sagen immer nur die Kollegen, die einen Machtverlust befürchten.“
Manch andere beurteilen die Initiative differenzierter. „Ich halte eine eigene Gewerkschaft für eine an sich gute Idee, den Zeitpunkt für die Initiative aber eher unglücklich gewählt, weil die dadurch entstehenden Streueffekte unsere Verhandlungsposition schwächen“, sagt stellvertretend dafür eine Wiener Jungärztin. Ähnlich argumentiert auch Wiens ranghöchster Standesvertreter, der Präsident der Wiener Ärztekammer Dr. Thomas Szekeres, der die Gewerkschaftsgründung wörtlich als „gut gemeint, aber nicht durchdacht“ beschreibt. Szekeres verweist in diesem Zusammenhang auf Erfahrungen in anderen europäischen Ländern, die gezeigt hätten, dass die Neugründung einzelner Gruppierungen die Ärztefront insgesamt schwächen würde. Dort könne sich nämlich der Dienstgeber aussuchen, ob er mit den bestehenden Gesamtgewerkschaften, einer Ärztegewerkschaft oder mit der Ärztekammer verhandelt. „In der aktuellen Situation sollte die Ärzteschaft jedoch Geschlossenheit zeigen und an einem Strang ziehen, um ihre Forderungen in der Arbeitszeitdebatte schnell und flächendeckend umzusetzen“, ist Szekeres überzeugt.
Gerade im Ausland aber hat sich Rainer inspirieren lassen. Als Vorbild nennt er den Marburger Bund in Deutschland, der eindrucksvoll bewiesen hätte, was „gut organisierte, inhaltlich fokussierte Gewerkschaften erreichen können. Die Gewerkschaft ist eine starke und exklusive Vertretung aller angestellten Ärzte und kann auf sensationelle Erfolge verweisen.“
Ein weiter Weg
Unabhängig davon, ob es die neue Gewerkschaft schaffen wird, sich als nachhaltige Kraft zu etablieren, für die laufenden Verhandlungen in Wien und vielen anderen Bundesländern kommt der Schritt wohl zu spät. Denn bis sie überhaupt ein Verhandlungsmandat bekommen kann, müssen zumindest drei große Hürden genommen werden. Das ist auch Rainer bewusst.
- Die neue Bewegung muss zum einen überhaupt einmal „kollektivvertragsfähig“ werden. Dazu braucht sie einen positiven Bescheid des Bundeseinigungsamtes. Dieser ist abhängig von der „wirtschaftlichen Relevanz“, also letztendlich von der Anzahl der Mitglieder.
- Sollte dieser erste Schritt gelingen, muss sie dann von den Partnern in einem nächsten Schritt auch tatsächlich an den Verhandlungstisch gebeten werden. Auch das wird vor allem davon abhängen, wie viele Ärzte die neue Gewerkschaft als Mitglieder binden kann. In Wien zum Beispiel wird Rainer dafür mehr Mitglieder benötigen als die derzeitigen Verhandlungsbeauftragten, will er ihnen das Mandat streitig machen.
- Bleibt zum Dritten immer noch die Frage der Finanzierung. „Wir haben keine relevanten finanziellen Mittel zur Verfügung“, gesteht Rainer ein. Diese seien aber unbedingt notwendig, etwa um Konzepte zu prüfen, Vorschläge juristisch zu bewerten oder Studien in Auftrag zu geben. Rainer fordert daher die finanzielle Unterstützung der Kammer ein. „Wir nehmen die Ärztekammer in die Pflicht, weil sie auch unsere Interessen als angestellte Ärzte zu vertreten hat.“ Ein Wunsch, der bei der derzeit zurückhaltenden Position der Standesvertretung allerdings eher Wunschdenken denn begründeter Optimismus zu sein scheint.
Von all den Stolpersteinen lässt sich Rainer weder beirren noch von seinem Plan abbringen. Zudem orte er große Zustimmung weit über die Stadtgrenzen hinaus. „Die neue Gewerkschaft ist statutenmäßig österreichweit konzipiert. Ländersektionen sollen ganz bewusst sehr niederschwellig gegründet werden können“, erläutert Rainer. Schon zehn Mitglieder können demnach einen Antrag auf Gründung einer solchen Ländersektion stellen. In Salzburg sei dieser Prozess schon eingeleitet worden.
Bis zum Abschluss der Behördenwege wollten die Initiatoren jedenfalls nicht einfach abwarten und Däumchen drehen, im Gegenteil: Eine eigene Website (www.aerztegewerkschaft.at) wurde bereits freigeschaltet. Darauf kann ab sofort eine Online-Petition unterschrieben werden, die drei wesentliche Forderungen umfasst:
- Das Verhandlungsmandat für die Ärztegewerkschaft Asklepios
- Gesetzeskonforme 48 Stunden – falls es dadurch zu Leistungskürzungen kommt, liegen diese in der Verantwortung des Arbeitgebers.
- Anpassung der Gehälter auf das im deutschsprachigen Raum übliche Niveau
Die Statuten der neuen Gewerkschaft werden dezidiert auch die Möglichkeit von „Kampfmaßnahmen“ als wichtiges gewerkschaftliches Mittel vorsehen. „Solche einzusetzen wird nicht unser vorrangiges Ziel sein“, versichert Rainer, „wir werden davor aber auch nicht zurückschrecken, falls es uns notwendig erscheint.“ vw
Gesundheitswirtschaftskongress
Wie wichtig ist die Politik für ein Gesundheitsunternehmen?
Beobachtet man die Ärzteproteste der letzten Tage, ist die Antwort wohl klar: sehr wichtig, denn immerhin geht es um EU-Regelungen, die einer Umsetzung auf politischer Ebene bedürfen. Genau dieses Thema steht daher auch heuer im Mittelpunkt des 7. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongresses. „Er bietet die Möglichkeit zum Informations- und Wissensaustausch, damit aus neuen Herausforderungen und Problemstellungen die idealen Lösungsansätze werden“, schreibt der Wiener Bürgermeister und Landeshauptmann Dr. Michael Häupl in seinem Grußwort. Und das Programm macht deutlich, dass alle aktuellen Diskussionspunkte auf der Agenda stehen. „Wir freuen uns sehr, dass es gelungen ist, die teilweise auch sehr kontroversen Positionen auf dem Kongress durch ihre Exponenten vertreten zu haben“, betont Ines Kehrein, Geschäftsführerin der agentur gesundheitswirtschaft in Wien, die den Event vonseiten der Planung und Organisation verantwortet. „Ziel ist es, einen pluralistischen Kongress zu organisieren, um das Für und Wider auf der Basis aller Informationen abwägen zu können“, so Kehrein.
„Ist eine aktive Gesundheitspolitik wichtig für die Gesundheitsunternehmen?“ Über diese zentrale Frage diskutieren unter der Leitung des Präsidenten der European Academy of Science and Arts, Prof. Dr. Felix Unger, der Leiter des Vertriebs von Clinical Austria, Benjamin Becker, der Medizinische Direktor der TILAK, Prof. Dr. Wolfgang Buchberger, der Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft Vorarlberg, Dr. Gerald Fleisch, der Initiator der Plattform Gesundheitswirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich, Dr. Martin Gleitsmann, sowie als Gast aus Deutschland der Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Prof. Dr. Jens Scholz, MBA.
Gibt es so etwas wie Markenmedizin? Können Krankenhäuser zur Marke werden? Auch diese Fragen werden die Teilnehmer des 7. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongresses diskutieren. Es geht dabei um die künftige Rolle der Patienten. Sie sollen durch zunehmende Transparenz mehr Souveränität erlangen und damit die Chance bekommen, sich eigene Entscheidungsspielräume auch in gesundheitlichen Fragen zu erschließen.
7. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongress, 11. März 2015, Wien, www.oegwk.at