Argumentationshilfen für den Kuraufenthalt
Lebensstil, Krankheit und Prävention unter Beachtung interpersoneller Unterschiede
AUTOR:
Dr. Wolfgang Foisner
Präsident des Verbandes Österreichischer Kurärztinnen und Kurärzte
kontaktkuraerzteverband.at
Präventivmaßnahmen, die im Rahmen einer Kur gesetzt werden, sind eine besondere Chance für Kurorte. Patienten verbringen am Kurort drei Wochen und in diesem Rahmen entwickelt sich eine Gemeinschaft, in der es gelingt, Wissen einfacher zu vermitteln und durch Eigenerlebnis zu festigen. Überdies kommen in der Kurmedizin überwiegend nicht invasive und naturnahe – oft nahezu naturheilkundliche – Therapien zum Einsatz, sodass Eigenmaßnahmen auch „emotional gefälliger“ zu vermitteln sind. Wichtig ist es jedoch, bestimmte Unterschiede im Zugang zur Einzelperson zu berücksichtigen. Die ethnischen und kulturellen Unterschiede in der Gesundheitswahrnehmung, in der Wahrnehmung der Medizin im Allgemeinen, im Verhältnis zum eigenen Körper und im Verständnis von Therapie sowie Prävention sind nicht unerheblich, ebenso die geschlechtsspezifischen Unterschiede. Diese interkulturellen Besonderheiten sind unter anderem Thema im Diplomlehrgang für Kurmedizin, Präventivmedizin und Wellness der Österreichischen Ärztekammer.
Genderfragen in der Kurmedizin
So wird beispielsweise das Angebot an Gymnastik von Frauen eher angenommen als von Männern, sie sind auch für gemeinschaftliche Aktionen besser motivierbar. Bei Männern setzen bei derartigen Aktivitäten Konkurrenz- und Leistungsdenken rascher ein. Beim Walken erleben viele Männer das Gehen mit den Walking-Stöcken als „unmännlichen Sport“. Manchmal helfen hier technische Vergleiche, um Ressentiments zu überwinden, etwa: „Das Gehen mit Walking-Stöcken ist wie ein Vierradantrieb.“ Bei Berufstätigen aus dem Managementbereich gelingt es schneller, sie davon zu überzeugen, dass sie leistungsfähiger sind, wenn sie regelmäßig Sport betreiben. Etwas schwierig wird es bei ethnischen Unterschieden, beispielsweise wenn es für Frauen in ihrem Heimatland nicht schicklich ist, alleine unterwegs zu sein. Ähnliches gilt für Regionen, in denen ausschließlich Fußball als Sport gilt, während zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren als Schwächen empfunden werden.
Übergewicht ist gerade im Zusammenhang mit gendermedizinischen Besonderheiten ein heikles Thema. Auch hier gelingt es besser, Frauen mit dem Argument der Figur zu beeinflussen. Männer berufen sich oft auf das Zitat „Ein Mann ohne Bauch ist wie ein Himmel ohne Sterne“ und sind dem Thema einer Gewichtsreduktion gegenüber wenig aufgeschlossen.
Die passenden Argumente finden
In all diesen Punkten hat es sich bewährt, im ärztlichen und therapeutischen Gespräch das jeweils blockierende Denkmuster zu eruieren und zum Wohle der Patienten umzulenken. Auch beim Thema Rauchen greifen ähnliche Mechanismen: Frauen befürchten eher, an Gewicht zuzunehmen, wenn sie nicht mehr rauchen. Hier hilft zum Beispiel der Hinweis auf die verlangsamte Hautalterung durch Nikotinabstinenz. Männer können mit dem Hinweis, dass sich Nichtrauchen positiv auf ihre männlichen Fähigkeiten auswirkt, besser überzeugt werden, während bei sparsamen Typen mitunter oft das Argument der Geldersparnis zieht.
Auch die Einstellung zu Medikamenten und invasiven Maßnahmen ist zu berücksichtigen. Bei manchen Berufs- und Bildungsgruppen entspricht es dem Zeitgeist, auf die Einnahme von Medikamenten zu verzichten und Naturheilkunde, pflanzliche oder alternative Methoden zu bevorzugen. Bei anderen Personen ist es genau umgekehrt, da liegt ein Reparaturdenken vor, das zu kritisieren heikel ist, da dies die Kompetenz von Medizinerkollegen infrage stellen könnte.
Von manchen Betroffenen wird Eigeninitiative wenig wahrgenommen, weil die Lebensumstände scheinbar keine Zeit lassen oder der Alltag zu ermüdend ist. Hier hilft oft ein Gespräch, um die Wertigkeit von Arbeit gegenüber der Gesundheit zurechtzurücken.
In Summe ist Präventivarbeit nach Kochrezept in der Praxis kein gangbarer Weg. In der Beratung und Therapie muss immer auf die individuellen Vorurteile, auf Gewohnheiten, Erfahrungen und Traditionen Rücksicht genommen werden. Daher ist Prävention ein anspruchsvolles Thema und die Weiterbildung diesbezüglich eine gute Investition – nicht nur finanzieller Art, sondern auch für die eigene Zufriedenheit und die Nachhaltigkeit einer Kur.