Arbeitszeit & Sicherheit: Medizin muss aktiv werden!
„Dienstzeitregelungen müssen auch unter dem Aspekt der Qualität und Sicherheit betrachtet werden.“
„Nach rund 20 Stunden im Dienst reagieren Ärzte so, als ob sie 1,5 Promille Alkohol im Blut hätten. Wahrscheinlich möchte niemand von so einem Mitarbeiter behandelt oder gar operiert werden“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Norbert Pateisky, Leiter der Abteilung für klinisches Risikomanagement
an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde,
Medizinische Universität Wien und Vorstandsmitglied der Plattform Patientensicherheit. „Auch eine Studie an einem österreichischen Schwerpunktkrankenhaus hat deutlich gezeigt, dass beispielsweise Chirurgen, die nach einem Nachtdienst weiterarbeiten, eine doppelt so hohe Reoperationsrate haben wie ausgeruhte Mediziner“, so Pateisky weiter. Er bringt damit die Diskussionen der letzten Tage auf den Punkt: Engpässe und überlastetes Personal führen zu erheblichen Qualitäts- und Sicherheitsmängeln in der Gesundheitsversorgung.
Die Experten der Österreichischen Plattform für Patientensicherheit arbeiten daher schon seit Jahren daran, das Thema Patientensicherheit durch Forschung, Koordination von Projekten, Vernetzung und Information verstärkt in das Gesundheitssystem einfließen zu lassen. Die Ergebnisse kommen sowohl den Patienten als auch den Mitarbeitern zugute. Arbeitsbeispiele sind etwa ein Handbuch für Patientensicherheit oder eine mobile App-Lösung, mit der Patienten mitwirken können, ihren eigenen Krankenhausaufenthalt sicherer zu gestalten.
Warum geht es in anderen Branchen?
Das AKH Wien steht derzeit wohl nur stellvertretend für eine strukturelle Fehlentwicklung, die schon seit Längerem zu beobachten ist und auf die sowohl vonseiten der Ärztevertreter als auch vonseiten der Plattform für Patientensicherheit immer wieder hingewiesen wurde. „Eine Reihe von Branchen wie etwa die Luftfahrt oder das Transportgewerbe zeigen deutlich, dass Regelungen möglich sind. Es ist an der Zeit, dass sich auch Verantwortliche für das Gesundheitswesen endlich die Frage stellen, ob sie einen Ärztemangel und eine schlechtere Patientenversorgung weiter dulden möchten“, so Pateisky.
Sicherheit spart langfristig Geld
Dass umfassende strukturelle Änderungen auch Geld kosten – zumindest am Anfang – liegt auf der Hand. „Wir wissen alle, dass ein teures Auto mehr Komfort und Sicherheit bietet als ein billiges, das ist in der Behandlung von Patienten nicht anders und kann auch nicht wegdiskutiert werden“, ist Pateisky überzeugt. Krankenhäuser tragen derzeit die Folgen der Schäden, die durch mangelnde Qualität und Patientensicherheit entstehen, nur bedingt, denn die Kosten für Pflegeurlaube, Rehabilitationen, Krankenstände oder Frühpensionen tragen vor allem die Steuerzahler. „Langfristig ist eine sichere Medizin für die Gesellschaft auf jeden Fall kostengünstiger!“, so Pateisky.