Arbeitsplatz Spital: Warum Patienten in Zukunft mithelfen sollen
Nicht etwa das Sparpaket ist der Grund, warum Patienten zu einer aktiven Mitarbeit motiviert werden sollen. Mehr Sicherheit beim Krankenhausaufenthalt ist das ehrgeizige Ziel, das die Plattform Patientensicherheit mit einem Folder und einem Pilotprojekt verfolgt.
„Wir wollen keineswegs die Verantwortung auf die Patienten abschieben, sondern in erster Linie die Sicherheit für Patienten, aber auch der Mitarbeiter erhöhen. Denn bei aller Sorgfalt ist es eine Tatsache, dass jede medizinische Behandlung mit einem Risiko behaftet ist“, betont Dr. Gerald Bachinger, Sprecher der Patientenanwälte Österreichs anlässlich der Präsentation des Folders „Sicher ist sicher“, der künftig Patienten im Spital zur Mithilfe auffordern soll. Denn trotz immer höherer Qualität der Gesundheitsdienstleistungen im Spital, aber auch im niedergelassenen Bereich schwindet das Vertrauen der Patienten in die eigene Sicherheit, wenn sie sich in Behandlung begeben. Eine Imagepolitur ist hier dringend gefordert und wird nun von der Plattform Patientensicherheit ins Rollen gebracht.
Patientensicherheit und Risikomanagement haben in den letzten Jahren einen großen Stellenwert in den nationalen Gesundheitssystemen erhalten, doch meist werden die Ideen und Projekte nur von den Experten getragen. Checklisten, Leitlinien, Qualitätsrichtlinien oder Hygienevorschriften wenden sich an Ärzte, Pflege- oder Krankenhauspersonal, aber in den seltensten Fällen wird auch der betroffene Patient aktiv involviert. Die Rolle des Patienten war bisher deutlich vernachlässigt, obwohl er es ist, der den Behandlungsprozess von Anfang bis zum Ende „hautnah“ miterlebt und daher die meiste Expertise und den größten Überblick über die Vorgänge im Zusammenhang mit seiner Behandlung haben kann. „Es ist wichtig, Patienten zu sensibilisieren und zu animieren, selbst aktiv zu werden. Ihre Beobachtungen und Erfahrungen sind für das Gesundheitspersonal sehr wertvoll“, ist auch Prof. Dr. Eugen Hauke vom Institut für Krankenhausorganisation der Karl Landsteiner Gesellschaft überzeugt.
Auf internationaler Ebene gibt es schon vereinzelt Modelle, die versuchen, Patienten beim Thema Sicherheit mit einzubeziehen. In Dänemark etwa hat die Danish Society for Patient Safety ein aufwendiges Handbuch für Patienten entwickelt, das auf 129 Seiten die zentralen Punkte zur Erhöhung der Patientensicherheit zusammenfasst. Auch in der Schweiz läuft auf Betreiben der Stiftung Patientensicherheit bereits eine ähnliche Initiative. Doch meist sind die Instrumente zu komplex und umfangreich und Patienten oftmals überfordert. Die Idee für den österreichischen Folder kam nicht zuletzt aus den USA, wo Ärzte einer Klinik sogar mit einem Anstecker auffordern mitzuhelfen: „Fragen Sie mich, ob ich meine Hände gewaschen habe“ ist hier zu lesen. Bis sich die heimische Unternehmenskultur im Gesundheitswesen allerdings soweit hinauslehnen wird, wird noch viel Wasser die Donau hinunterfließen. Jedoch ein Anfang ist gemacht: Unter dem Arbeitstitel „Involve Yourself In Your Care“ hat sich die Plattform für Patientensicherheit jetzt erstmals in Österreich mit der Frage auseinandergesetzt, welchen Beitrag Patienten selbst leisten können, um während ihres Krankenhausaufenthaltes – und auch im Anschluss daran – ein möglichst hohes Maß an Sicherheit zu erreichen. „Das Ergebnis ist ein einfacher Folder, der dem Patienten einen niederschwelligen Einstieg in das Thema bieten soll“, erklärt Bachinger.
Einfach und übersichtlich
Inhaltlich gliedert sich der Folder in vier Teile: Bei „Information“ geht es um die Kommunikation mit Krankenhausmitarbeitern rund um die eigene Erkrankung. Die Patienten werden aufgefordert, Fragen zu stellen und Antworten einzufordern. Unter „Hygiene“ wird der Wert von Hygienemaßnahmen für den Heilungsprozess erläutert und die Patienten ermutigt, auf Hygienemängel aufmerksam zu machen. Das Thema „Medikamente“ erinnert, dass sich Patienten selbst Hintergrundinformationen zu den eingenommenen Medikamenten bzw. zu den Therapiemaßnahmen einholen sollen. Die „Gefahrenvermeidung“ bittet um aktive Mitarbeit beim Bekämpfen potenzieller Unfallrisiken, beim Fehlen benötigter Hilfsmittel oder auch beim Formulieren subjektiver Bedenken hinsichtlich der eigenen Sicherheit. Abschließend werden auch der Bereich des Entlassungsmanagements und die Bedeutung für den weiteren Heilungsprozess thematisiert.
Mehr Sicherheit, weniger Vertrauen
Dr. Peter Gausmann, Geschäftsführer der GRB Gesellschaft für Risiko-Beratung in Deutschland, wertet seit mehr als 15 Jahren Schadensfälle im Gesundheitsbereich aus und ist auf einen zentralen Widerspruch gestoßen: „Wir haben in der Vergangenheit zweifelsohne enorm viel in das Sicherheitsniveau von Krankenhäusern investiert. Gleichzeitig ist aber leider festzustellen, dass die Patienten immer weniger Vertrauen in unser Angebot haben.“ Mit „Sicher ist sicher“ soll nun verlorenes Vertrauen wieder zurückgewonnen werden.
Erfolgreiche Pilotprojekte
Der Erfolg des Projekts hängt nicht zuletzt davon ab, ob die jeweiligen Krankenanstaltenträger und vor allem das medizinische Personal mit ins Boot geholt werden können. „Die Initiative muss von den einzelnen Krankenhäusern ausgehen und getragen werden, um eine entsprechende Identifikation von Patienten und Mitarbeitern zu erreichen“, sagt Prof. Dr. Robert Fischer vom Institut für Sozialmedizin der Medizinischen Universität Wien. Daher ist der Folder so konzipiert, dass er von den Krankenhäusern individualisiert, adaptiert und ergänzt werden kann.
Dass es durchaus klappen kann, zeigen erste Erfahrungen zur praktischen Anwendung in zwei Krankenanstalten der NÖ Landeskliniken Holding. Die Folder wurden in den Landeskliniken Amstetten und Lilienfeld verteilt und Poster sorgten für zusätzliche Aufmerksamkeit. Eine Mitarbeiter- und Patientenbefragung durch die FH St. Pölten evaluierte die Ergebnisse hinsichtlich der persönlichen Einstellung zu „Patientensicherheit“, der Wahrnehmung des Folders, der Beurteilung des Folders, der Anwendbarkeit der Inhalte, wahrgenommener Veränderungen an der Abteilung, des Umgang des Personals mit dem Thema und der soziodemografischen Daten.
„Es hat sich deutlich gezeigt, dass die Frage der Patientensicherheit für Patienten und Mitarbeiter gleichermaßen relevant ist“, erzählt Bachinger. 75 Prozent der Patienten beurteilen den Folder hinsichtlich Verständlichkeit, Anwendbarkeit als sehr gut bzw. gut und sind auch überzeugt, durch die Anwendung der Empfehlungen Fehler vermeiden zu können. Etwas anders sieht es bei den Mitarbeitern aus: Nur 20 Prozent meinen, durch die aktive Einbeziehung der Patienten Fehler vermeiden zu können. Damit stellen sie derzeit eines der größten Optimierungspotenziale zur Einbeziehung der Patienten in Sicherheitsfragen dar. rh
Info & Kontakt:
www.plattform-patientensicherheit.at
Buchtipp
Elke Holzer, Guido Offermanns, Eugen Hauke (Hrsg.):
Patientenperspektive – ein neuer Ansatz für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems, 288 Seiten, facultas Verlag 2012, ISBN 978-3708907932
Die Interessen der Bevölkerung sollten deutlich spürbar in ein für die Zukunft zu gestaltendes Gesundheitssystem einfließen. Dies bedeutet mehr Demokratie im Gesundheitssystem, was allerdings nicht wenigen Playern Angst machen dürfte. Das Feld darf aber nicht nur den „Platzhirschen“ überlassen werden. Mehr Demokratie im Gesundheitssystem macht die Weiterentwicklung nicht leichter, würde aber den einzigen Finanziers, nämlich der Bevölkerung, zustehen.
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