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Aqua Fitness für die Faszie

Schmerzen im Stütz- und Bewegungsapparat machen vielen Menschen zu schaffen und sind ein häufiger Grund für Krankenstände. Die Ursachen und damit der Weg zur richtigen Behandlung sind oft schwierig. Neue Erkenntnisse rund um „Faszien“ schaffen eine Reihe von Ansatzpunkten für mehr Fitness und Gesundheit.


Foto: Parktherme Bad Radkersburg/eisenberger

Zu den Faszien zählen alle kollagenen faserigen Bindegewebe des Körpers, die dem Körper seine innere Struktur und seine äußere Form verleihen. Sie umhüllen, stützen und verbinden alle Teile, auch so feine Strukturen wie die Nerven, die Blutgefäße, das Gehirn, die Augen, jede Körperzelle und jeden Bestandteil der Körperzellen. Die Faszien sind ein eigenständiges Organ mit zahlreichen Nervenenden, Schmerz- und Bewegungssensoren. Sie sind überaus strapazierfähig und reagieren – anders als unsere Muskeln – auf Anspannung oder Entspannung viel reduzierter. Zudem haben sie nicht nur eine physiologische Aufgabe, sondern bilden auch eine Brücke zwischen den Gefühlen und dem Körper. Feinfühlig registrieren sie Bewegungsabläufe oder die Körperhaltung, sei es beim stundenlangen Arbeiten am Computer mit angespannt hochgezogenen Schultern, beim Sport mit Ehrgeiz und Anstrengung oder bei geschmeidigen Bewegungen wie dem Tanzen.
Faszien übernehmen die Kraftübertragung zwischen den Muskeln und sorgen so dafür, dass diese gut zusammenarbeiten. Die auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Sichtweise besteht nun darin, dass das kollagene Bindegewebe die Spannung des Körpers mitbestimmt, die Muskulatur beeinflussen kann und ein eigenes Wahrnehmungssystem des Körpers darstellt. Je ausgeglichener die Spannungsverhältnisse innerhalb des Fasziennetzwerks sind, desto ausbalancierter fühlt sich der Körper an. „In den Faszien sind mehr Gefühls- und Schmerzrezeptoren vorhanden als in unserer Muskulatur. Eine Vielzahl an Nervenenden befindet sich nämlich direkt in der Faszie – im Rücken zum Beispiel haben wir die Lendenfaszie, die hochsensibel ist. Die Faszie ist ja auch gleichzeitig die Muskelhaut und in ihr gleitet jede einzelne Muskelfaser. Kommt es zu Verklebungen in diesen Schichten, wird das Gleitverhalten gestört, was zu Verspannungen führt, vergleichbar mit dem Reiben glatter Seidentücher oder grober Leinen aufeinander“, erklärt Markus Strini, Outdoor-Fitnesstrainer und zertifizierter Fascial Fitnesstrainer der Parktherme Bad Radkersburg. Die Rezeptoren des Bindegewebes sind bisher in der großen Rückenfaszie (fascia thoracolumbalis) und in der Fußsohlenfaszie (Plantarfaszie) nachgewiesen worden. In der Rückenfaszie ist die Anzahl größer als in der Fußsohle. Das zahlenmäßige Vorkommen ist jedoch individuell unterschiedlich. So kann bei aktiven, gut trainierten Menschen durchaus eine höhere Anzahl an Rezeptoren vorhanden sein.

Leistungsfähige Faszien

Große Rollen in der Leistungsfähigkeit der Faszien spielen ihre Festigkeit, Elastizität und Flexibilität. Die Faszien verfilzen durch den natürlichen Alterungsprozess, denn die Bindegewebszellen produzieren mit den Jahren immer weniger vom Strukturprotein Kollagen. Durch Fehlhaltungen, Verletzungen, Bewegungsmangel und Stress können sie zudem geschwächt werden, ebenso aber lassen sie sich mit den geeigneten Übungen gut trainieren. Die Basis ist einfach: Wer sich regelmäßig bewegt, hält seine Faszien jung und lebendig. Bewegungsmangel dagegen lässt die Faszien verkleben und verfilzen. Dann ist die muskuläre Kraftübertragung blockiert, denn die Muskelfaserbündel können nicht mehr geschmeidig aneinander vorbeigleiten. Die zunehmende Starre und daraus folgende Schmerzen, Schwächen und Blockaden mindern wiederum die Lust auf Bewegung – ein Teufelskreis beginnt. „Regelmäßiges Faszientraining tut nicht nur der Gesundheit gut, sondern stärkt auch den gesamten Körperbau. Aktive Trainingsreize wären beispielsweise Druck (Ausrollen), Zug (Dehnungen), Wipp- oder Sprungbewegungen. In der Parktherme Bad Radkersburg praktiziere ich mit den Gästen ‚Fascial Fitness‘ im besonderen Thermalwasser“, erklärt Strini.

Yoga, Qigong, Tai Chi oder Pilates sind nur einige der Bewegungsformen, die bestens geeignet sind, die Faszien wirkungsvoll zu trainieren. Das Bindegewebe wird besonders durch den Wechsel von Belastung und Entlastung angesprochen und dadurch elastischer. Zudem wird die Durchblutung verbessert. Auf diese Weise wird der ganze Stoffwechsel gestärkt. Gezieltes Faszientraining reguliert auch die Feinabstimmung unserer Bewegungsabläufe und ist damit die beste Prävention von Verletzungen, Stürzen oder Unfällen. Nicht nur auf der Trainingsmatte, sondern auch im Alltag und in der Freizeit kann etwas für die Faszien getan werden: beim Treppensteigen, beim Schwimmen und ganz besonders beim Klettern. Am einfachsten ist es, mehr Beuge- und Streckbewegungen, Halte- und Zugbewegungen mit anschließender Entspannung in den Alltag einzubauen.    rh

Nachgefragt bei ...

... Dr. Heidemarie Felgitsch, Ärztin für Allgemeinmedizin, Kurärztin

Welche Vorteile haben Aktiveinheiten im Thermalwasser gegenüber herkömmlichem Wasser?
Neben der positiven Wirkung des Auftriebes und des damit verbundenen Verlustes von etwa zwei Drittel des Körpergewichtes und der damit entstehenden Bewegungsfreiheit, erhöhen die besonderen Mineralstoffe des Thermalwassers die lindernde Wirkung auf Beschwerden des gesamten Bewegungsapparates.
Eine 2013 von der Medizinischen Universität Graz in der Parktherme Bad Radkersburg durchgeführte Studie bestätigt ebenfalls die positive Wirkung des Thermalwassers bei hoch gestressten Menschen besonders nach moderater Bewegung. Schon ein Thermalbad von 25 Minuten senkt den Stresslevel und steigert das Wohlbefinden.

Welche Vorteile hat das Faszientraining speziell in Kombination mit dem Thermalwasser?
Beschleunigt wird der Erfolg des Faszientrainings, wenn es ins Wasser verlagert wird. Denn durch das Wasser vermindert sich die Spannung in der Muskulatur, das Bindegewebe wird zusätzlich massiert.

Worauf ist bei Aktiveinheiten im Thermalwasser besonders zu achten?
Auf eine Kreislaufbelastung durch Erhöhung des Blutdruckes und eventuell der Körpertemperatur, da Schwitzen im Wasser nicht möglich ist. Zu berücksichtigen ist eventuell auch, ob jemand Nichtschwimmer ist oder generell Angst im Wasser hat.

Bei welchen Indikationen empfehlen Sie Aktiveinheiten im Thermalwasser?
Indikationen sind Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises wie Fibromyalgie, degenerative Gelenks- und Wirbelsäulenleiden und zur Rehabilitation nach Operationen und Verletzungen sowie vegetativen Erschöpfungszuständen. Zusätzlich sind Aktiveinheiten im Thermalwasser gut bei Bewegungseinschränkungen durch Übergewicht, Spastiken oder Lähmungen, um generell die zusätzlichen positiven Wirkungen des Wassers auszunützen.

Welche Kontraindikationen gibt es?
Hoher, ungenügend behandelter Blutdruck, extreme Varikose der Beine, offene Wunden, fieberhafte Infekte. Vorsicht ist geboten bei Schwangerschaft und Epilepsie. Eine individuelle Abschätzung ist bei Krebserkrankungen erforderlich.