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Aktuelles und Bewährtes in der Schmerztherapie

Univ.-Prof. Dr. Wilfried Ilias, Msc. gilt als einer der versiertesten Schmerzspezialisten des Landes. Für ÄrzteEXKLUSIV hat der Mediziner die aktuellen Trends und Methoden in der Schmerztherapie zusammengefasst.


Foto: bildagentur waldhäusl

Je tiefer die Forschung Einblick in die Mechanismen der Schmerzentstehung und -aufrechterhaltung gibt, desto unübersichtlicher werden die therapeutischen Zugänge – sei dies nun auf medikamentöser, apparativer, psychotherapeutischer und physiotherapeutischer Ebene. Zwei Beiträge in diesem Magazin, wie die Vorstellung des Buches „Schmerzen wegdenken“, in denen Anleitungen zur autosuggestiven Unterdrückung von Schmerzbahnung und -engrammierung zu finden sind, ein Weg, der insbesondere bei therapieresistenten, chronischen Schmerzzuständen beschritten werden kann, ja eigentlich muss, um einen Ausweg aus der Schmerzspirale zu finden, und die Beschreibung des Capsaicin-hältigen Schmerzpflasters, das der „Desensibilisierung“ von Vanilloid-(Schmerz)-Rezeptoren dient, mögen als Beispiel für die Mannigfaltigkeit und Gegensätzlichkeit schmerztherapeutischer Maßnahmen dienen. Über allem steht jedoch nicht die symptomatische, sondern die kausale Therapie, weshalb es gilt, jede bereits gestellte Diagnose erneut zu hinterfragen, um vielleicht doch eine Ursache für ein bestimmtes Schmerzgeschehen zu finden, um dieses dann operativ, medikamentös oder manipulativ beseitigen zu können. Dieser Grundsatz sollte auch bei bereits laufender, ja, sogar guter Symptomkontrolle nicht verletzt werden und tragende Säule einer ärztlichen Therapiebegleitung sein. Nichtsdestotrotz zeigt die tägliche Praxis, dass die Ursache sehr oft nicht gefunden wird oder mit derzeit verfügbaren Mitteln nicht möglich ist und daher der Weg der Symptomkontrolle beschritten werden muss. Dazu eine kurze Übersicht der medikamentösen und nicht medikamentösen Zugangsmöglichkeiten.

Medikamentöse Schmerztherapieoptionen

 

Nicht steroidale Antiinflammatoria NSAI

Sowohl selektive COX1/2 als auch selektive COX2-Inhibitoren haben die Tendenz, im entzündlichen Gewebe eine längere Verweildauer zu haben als im Blut bzw. gesunden Geweben. Die Halbwertszeit ist entscheidend für die Entwicklung gastrointestinaler, renaler und hepataler, unerwünschter Nebenwirkungen (Lancet 2 (8569):1204-1205,1987). Substanzen mit kurzer Halbwertszeit in nicht retardierter Form sollte daher der Vorzug gegeben werden. Die Indikation kann sehr weit gestellt werden und umfasst alle schmerzhaften Zustände mit entzündlicher Komponente. Darüber hinaus wirken NSAI auch zentral analgetisch in ZNS (Nature 390:611-614,1997) und im Rückenmark (Pain 59:9-43,1994).
Damit ist der Einsatz von NSAI auch bei chronischen, nicht entzündlichen Schmerzen zu rechtfertigen. Die apodiktische Ausgrenzung dieser Substanzen in der Therapie neuropathischer Schmerzzustände ist zu relativieren. Die Kombination von NSAI mit Opioidanalgetika hat zentralen synergen analgetischen Effekt (Nature 390:611-614,1997). Für Lornoxicam wurde zudem eine Dynorphin-stimulierende Wirkung nachgewiesen (Akt.Rheumatol.17:128-132, 1992), ob dies nur für diese Substanz zutrifft, wurde nicht untersucht. Einige neuropathische Schmerzzustände (diabetische und toxische) haben eine mikrovaskuläre Pathologie. Hier kann die gerinnungshemmende Wirkung von nicht selektiven NSAI, insbesondere Acetylsalicylsäure, vielleicht genutzt werden. Auf dieser Basis ist auch deren viel versprechende Anti-Alzheimer-Wirkung zu sehen (Arterioscler. Thromb. Vasc. Biol. 23:1951-1953(2003). COX2-selektive NSAI lösen bei langer Anwendungszeit vasculäre und mikrovasculäre Thrombosen aus (JAMA 286:954-959,2001). Die Indikation von COX2-Inhibitoren sollte dementsprechend gestellt werden. Dieser Nachteil kann bei antikoagulierten Patienten genutzt werden, vor allem postoperativ. Die momentan in Österreich erhältlichen COX2-Inhibitoren sind: Celecoxib (Celebrex®), Valdecoxib (Dynastat®) (i.v.), Meloxicam (Movalis®) und Etoricoxib (Arcoxia®).
Nachdem Prostaglandine gefäßdilatierende und broncholytische Wirkung haben, muss die Indikation bei bekannter Hypertonie bzw. Aspirin-sensitivem Asthma eng gestellt und die Therapie observiert werden. Bei cardiovasculären Risikofaktoren wird Naproxen derzeit als Mittel der Wahl angesehen (Circ Cardiovasc Qual Outcomes 2009;2:155-163).
Die oft kritisierte intravenöse Anwendung von NSAR ist in vielen Indikationen gerechtfertigt. Die Anschlagzeit bei intravenöser Gabe ist eindeutig kürzer und damit bei akuten Schmerzzuständen sicher zu rechtfertigen. Folgende Substanzen stehen derzeit in i.v. Galenik zur Verfügung: Azetylsalizylsäure, Diclofenac, Ketoprofen, Lornoxicam, Tenoxicam, Parecoxib.

Opioide

Der vorrangige Stellenwert der Opioide in der Schmerztherapie ist unumstritten. Das Nebenwirkungsspektrum ist bis auf die immer wieder aufkeimende Suchtdiskussion insofern harmlos, als schwere organische Nebenwirkungen, wie sie zum Beispiel bei NSAI auftreten können, in dieser Substanzgruppe nicht zu befürchten sind. An therapiebehindernden Nebenwirkungen sind dennoch Obstipation, Übelkeit, Brechreiz, Schwindel, Trittunsicherheit, Nacht- und Tagesschweißigkeit und bei alten Menschen auch Verwirrtheit zu nennen. Die oft zitierte Atemdepression tritt erst bei offensichtlicher Beeinträchtigung der Bewusstseinslage auf und ist durch Therapieüberwachung zu verhindern. Die in internationalen Konsensuskonferenzen geforderte Einholung einer Therapieeinverständniserklärung ist sicher auch beim Einsatz anderer Medikamente angebracht (Eur. J. Pain. 2003;7(5):381-6). Zu unterscheiden ist hier auch zwischen Opioiden mit oder ohne Suchtgiftverordnungspflicht. Im Gegensatz zu früheren Meinungen sind Opioide wie Tramadol (Clin.Pharmacol.Ther.1999,66:636-641), Oxycontin (Pain 2003,105:71-76) und Fentanyl (Anesth.Analg.2005, 101:220-225) nunmehr auch bei neuropathischen Schmerzen indiziert. Manche Schmerzentitäten wie Zahn- und Kopfschmerz werden als Indikation zur Opioidtherapie oft ausgeklammert, obwohl die Evidenz für deren Wirksamkeit auch in diesen Indikationen gegeben ist (J. Clin. Pharmacol 46:917-24, 2006, Laryngoscope 115:703-11,2005). Eine ausreichende Datenlage zur Unbedenklichkeit von Opioiden bei Schwangeren liegt ebenfalls vor (J. Opioid Manag. 2:31-34,2006).
Opioide sind in allen wichtigen Verabreichungsformen verfügbar, diese Besonderheit erlaubt jede gewünschte individuelle Therapieangleichung an den biologischen Tagesrhythmus (Focus Oncologie Sonderausgabe 1/2006). Neue Galeniken althergebrachter Substanzen wie Tramadol (24 h Retardierung mit 12 h Peak = Adamon ret® und 18 h Peak = Noax®) oder Fentanyl transmukös (Actiq®) mögen als Beispiele dienen. Die Medikamentenvielfalt dieser Substanzgruppe gab unter der Annahme eines identen Wirkmechanismus immer wieder Anlass zur Diskussion. Mittlerweile weiß man, dass unterschiedliche genetische Typisierung von Opioidrezeptoren, vor allem aber auch unterschiedliche Rezeptoraffinität die individuelle Wirkung beeinflussen. Opioide sind durchwegs µ-Rezeptorliganden aktiv, können aber auch κ- (Oxyconti Buprenorphin), NMDA- (Methadon), 5HT3- (Tramadol, Pethidin), α2- (Tramadol, Pethidin) und Nozizeptin- (Buprenorphin) Rezeptor aktiv sein, was deutliche Unterschiede in der Wirkweise ergibt. Zweischicht-Galeniken mit rascher Primäranflutung bei gleichzeitigem Retardeffekt (Noax, Oxycontin) ergeben Unterschiede im Wirkungseintritt. Transdermale (Fentanyl, Buprenorphin) Galeniken haben Vorteile hinsichtlich Wirkdauer und geringerer Obstipation. Die Einführung kleiner Dosis­einheiten erlaubt nun auch den Einsatz bei Kindern und marastischen Individuen.

Nonopioide

Metamizol und Paracetamol haben durchaus Stellenwert in der Therapie akuter und chronischer Schmerzzustände, umso mehr als sie auch anti-hyperalgetisch wirken, das heißt die Schmerzsensibilisierung verhindern. Beide Substanzen sind auch in parenteraler Applikationsform erhältlich. Die Metamizol-anhängige Nebenwirkung der Agranulozytose ist ein extrem seltenes Ereignis und ist in unterschiedlichem Schweregrad mit einer Inzidenz von zwei bis neun Fällen bei einer Million Anwendungen zu erwarten. Die analgetische Wirkung von Paracetamol kann über serotoninerge Interferenz durch 5HT3-Antagonisten aufgehoben werden (Inflamm Res. 2003 Aug;52(8):347-52). Die beiden Nonopioide können aufgrund ihres von Opioiden und NSAR abweichenden Wirkmechanismus mit diesen Substanzen, aber auch Coanalgetika beliebig kombiniert werden.

Antikonvulsiva

Traditionell wird der Natriumkanalblocker Carbamazepin auch heute noch als Primärtherapie bei neuropathischen Schmerzzuständen wie Zosterneuralgie und Trigeminusneuralgie eingesetzt. Die Wertigkeit dieser Substanz in den genannten Indikationen ist unbestritten. Gabapentin und das klassenverwandte Pregabalin, beides Calciumkanalblocker, sowie Topiramat, ein NMDA-Rezeptorantagonist, sind bei chronischen neuropathischen Schmerzen wie diabetischer Poly­neuropathie, Zosterneuralgie, Trigeminusneuralgie und Tumor-assoziierten Neuropathien mit gut untersucht (Pain 83:389-400,1999). Pregabalin erwies sich dabei mit einer NNT (number of patients to treat) von 2,6 versus 3,8–4,0 den übrigen Substanzen überlegen. Die individuelle Aufsättigung mit dem jeweiligen Medikament kann bis zu einige Wochen dauern. Erst dann kann entschieden werden, ob die Therapie mit dem gewählten Medikament Erfolg hat. Die individuellen Dosierungen hinsichtlich Wirkung und unerwünschten Nebenwirkungen (Schwindel, Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit, Libido- und/oder Potenzverlust, Myoklonismen etc.) liegen oft weit auseinander.

Antidepressiva

Die Wirkweise beruht auf einer Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung. Dieses „klassische“ Antidepressivum wird auch in rezenten Metaanalysen und „Guidelines“ (Sindrup and Jensen 1999; Attal, Cruccu et al. 2006) als Mittel der Wahl bei neuropathischen Schmerzzuständen empfohlen. Meinungen, dass anfallsartige Schmerzen mit Antikonvulsiva, anhaltende Schmerzen eher mit Antidepressiva zu behandeln seien, konnten bis heute weder nachdrücklich bestätigt noch widerlegt werden. Im Gegensatz zu früheren Meinungen, dass Antidepressiva ganz allgemein und Trizyklika insbesondere zur Schmerztherapie deutlich niedriger dosiert werden können als in ihrer Hauptindikation Depression, haben sich keineswegs bestätigt (Sindrup, Otto et al. 2005). Die Dosierungen können im Einzelfall durchaus mit 10 mg abends ausreichend sein, können aber auch 75 mg erfordern (eigene Erfahrungen). Nebenwirkungen wie Müdigkeit klingen nach einer „Gewöhnungsphase“ in der Regel bald ab. Potenzstörungen und Libidoverlust sind häufig beobachtete Nebenwirkungen, welche im Gegensatz zu Müdigkeit und Antriebslosigkeit keiner Tachyphyllaxie unterliegen und somit bei vielen Patienten Anlass zur Verweigerung dieses Medikamentes geben. Besondere Aufmerksamkeit bei der Anwendung von Antidepressiva mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmung ist das sogenannte Serotoninerge Syndrom, welches durch auffällige Schweißsekretion, Unruhe, Tremor, Palpitation, Akkomodationsstörungen, Tachycardie bis hin zu Konvulsionen und Schizophrenie gekennzeichnet sein kann. Insbesondere bei Kombinationen mit Substanzen wie Tramadol, welches ja die Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme ebenfalls hemmt, sind oft bereits milde Formen eines solchen Syndroms erkennbar und verlangen nach Umstellung der Therapie. Es scheint wichtig, auch darauf hinzuweisen, dass es seltene Fälle von Suiziden im Zusammenhang mit der Anwendung von Trizyklika gibt und die Patienten jedenfalls einer engen Beobachtung bedürfen. Insbesondere bei Absetzen oder Wechsel der Substanz scheint besondere Vorsicht geboten (Acta psychiatrica Scandinavica 96(2):94-100).
Trizyklica haben auch Na+- und Ca++-Kanalblocker-Wirkung. Dies scheint der Hauptgrund für tödliche (cardiale) Zwischenfälle bei Überdosis dieser Substanzen zu sein (Pain 132(3):237-251).
Gute Ergebnisse der Schmerztherapie mit Amitryptilin wurden vor allem bei diabetischer Neuropathie (Max, Lynch et al. 1992) und Post Zosterneuralgie (Neurology 38(9):1427-1432) erzielt (Eur J Neurol 13(11):1153-1169) sowie in der Intervalltherapie der Migräne. Ein Trizyklikum mit ausgeprägter NRI-Wirkung ist Desipramin. Diabetische Neuropathie konnte mit diesem relativ selektiven NRI ebenso effektiv behandelt werden wie mit Amitryptilin (The New England Journal of Medicine 326(19):1250-125). Das neue Opioid Tapentadol (Palexia®) kombiniert in sich eine µ-Rezeptorwirkung mit einer Norarenalin-Wiederaufnahmehemmung, was seine Einsatzfähigkeit bei neuropathischen Schmerzzuständen erklärt (Current Medical Research and Opinion, 27/ 1, January 2011,pp.151-162). Für Duloxetin (Cymbalta®), einen Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), liegen sehr gute Daten zur Therapie von diabetischer Neuropathie und anderen neuropathischen Schmerzen vor. Dies gilt auch für Venlafaxin (Pain 83(3):389-400; CNS Drugs 22(5): 417-442). Neben neuropathischen Schmerzzuständen konnte für Antidepressiva (insbesondere Milnacepran) eine, wenn auch unbefriedigende, Effektivität bei der Therapie der Fibromyalgie nachgewiesen werden (Cochrane database of systematic reviews 3:CD008244.)

Muskelrelaxantien

Bei einigen Schmerzleiden sind Muskelrelaxantien indiziert, welche zum Teil recht unterschiedliche Angriffspunkte haben. So wirken Benzodiazepine über GABA-erge Pfade, Tizanitide über α2-Adrenergen Agonismus, Baclofen wieder ist ein Agonist am GABAB-Rezeptor, Tolperison (derzeit in Österreich nicht mehr vertrieben) ist ein Natrium-Kanalblocker. Die zweifelsfrei interessanteste Substanz in dieser Hinsicht ist Orphenadrin, ein Relaxans, welches in Kombination mit Diclofenac (Neodolpasse®) und in Kombination mit Paracetamol (Norgesic®) verschreibbar ist. Es handelt sich dabei um ein Medikament mit antihistaminischer, Natriumkanal-blockierender, anticholionerger und Noradrenalin-Wiederaufnahme-hemmender Wirkung (Pain 142 (3):225–35). Vor allem bei akuten Schmerzen mit einer muskulären Komponente wie beispielsweise Lumbosischialgien kann Muskelerschlaffung einen wesentlichen Beitrag zur Schmerzlinderung leisten.

Cannabinoide

Im Menschen konnten bisher zwei Cannabinoidrezeptortypen festgestellt werden: CB1 und CB2. Der natürliche Ligand für diese Rezeptoren ist die Fettsäure Anandamid, ein Abbauprodukt der Arachidonsäure. Der Einsatz von Cannabinoiden in der Schmerztherapie wird immer wieder kontrovers diskutiert, obwohl mittlerweile deren Wirksamkeit in gewissen Bereichen ausreichend belegt ist. (BMJ 323(7303):16-21.) Interessant ist, dass Cannabinoide auf präsynaptische Rezeptoren im Sinne eines Rückkoppelungsmechanismus wirken und hier den natürlichen Liganden Anandamid ersetzen. Eine über NK1-Rezeptoren gesteuerte Langzeit-Potenzierung, welche letztlich für die Entwicklung von Schmerzbahnung verantwortlich ist, kann durch solche Rückkoppelungen verhindert werden. Insbesondere bei komplexen Schmerzzuständen mit Chronifizierungstendenz hat sich der Einsatz von Cannabinoiden sehr bewährt. So auch bei Migräne (Wien Klin Wochenschr 118(11-12):327-335.)
Hinzuzufügen ist auch, dass Cannabinoid-Agonisten neben ihrer antiemetischen und analgetischen Wirkung vor allem auch appetitanregend wirken, was insbesondere in der Tumorschmerztherapie von Wichtigkeit ist. Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass Cannabinoid-Rezeptoren bei chronisch neuropathischen Schmerzen vermehrt entstehen, was bedeutet, dass das Ansprechen auf exogen zugeführte Cannabinoide zunimmt (Siegling, Hofmann et al. 2001). In Österreich sind derzeit die Präparate Dronabinol® (2, 5, 10 mg Kps., Suchtgift-vignettenpflichtig) und das rein synthetische Präparat Nabilone (0,5, 1,0; 2,0 mg Kps., nicht vignettenpflichtig) erhältlich. Die Präparate sollten zwei- bis dreimal täglich verordnet werden.

Nicht-Medikamentöse Schmerztherapieoptionen

Neuromodulation?

Die Idee der Neuromodulation mittels Anwendung von elektrischen Impulsen ist nicht neu und geht bis in die Antike zurück, als Zitterrochen und Elektrischer Aal zur Schmerztherapie eingesetzt wurden. Die Gate Control Theorie von Wall und Melzack gab dieser Methode wieder neuen Antrieb, da man davon ausging, mit Störimpulsen das Gating zu beeinflussen. Erste Experimente mit TENS (Transcutaner ElektroStimulation) und SCS (Spinal Cord Stimulation) ließen die Vermutung aufkommen, das TENS als Test für die Wirksamkeit einer Hinterstrangstimulation eingesetzt werden könne. Dies bewahrheitete sich nicht, jedoch haben sich beide Methoden unabhängig von einander entwickelt und zusätzlich auch die SNS (Subcutane Neuro Stimulation) als neue Methode etabliert. Hinzu kommen noch die tiefe Hirnstimulation und die Stimulation des Gyrus Präzentralis mit epiduralen Sonden. Die Methoden sind jeweils Schmerzzentren vorbehalten und setzen entsprechende Erfahrung und technische Fähigkeiten voraus. Die Kosten der entsprechenden Geräte sind zum Teil beträchtlich. Hervorzuheben ist dabei, dass die Methode bei scheinbar hoffnungslosen Fällen noch mit großer Wirkwahrscheinlichkeit eingesetzt werden kann. Neben der Neuromodulation mittels Elektrostimulation wird auch die rückenmarksnahe Applikation diverser Medikamente über implantierbare Pumpensysteme als Neuromodulation bezeichnet.

Biofeedback und Schmerz?

Biofeedback bedeutet, wie der Name schon sagt, eine kontrollierbare Antwort auf eine gewollte oder ungewollte körperliche Reaktion. Schmerz wie Stress verursacht eine physiologische Reaktion, welche sich indirekt messen lässt. Als messbare Parameter dienen Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz, Hautleitfähigkeit und schließlich Elektroenzephalogramm. Der erste Versuch, Stress als Ausdruck von unangenehmen Empfindungen oder Angst messbar zu machen, war der sogenannte Lügendetektor, welcher die Hautleitfähigkeit als Messgröße analysierte und daraus unkontrollierbare Erregungszustände als Ausdruck einer bewussten unwahren Aussage bewertete. In der weiteren Entwicklung dieser Geräte gelang es, die Messgrößen zur Kontrolle von gewollten Entspannungsübungen, seien diese nun zur Senkung des Blutdrucks, der Herzfrequenz, der geistigen Ablenkung, der Autosuggestion u. a. m., zu nutzen. Der Erfolg der Entspannungsübungen wurde am Muskeltonus stressrelevanter Muskulatur (Musculus Frontalis) der Atemfrequenz, der Hautleitfähigkeit der Herzfrequenz und nunmehr sogar in der Veränderung des EEG gemessen und den Probanden optisch oder akustisch über einen Computer mitgeteilt. Auf diese Weise gelang es, Spannungskopfschmerz, Migräne, Beckenschmerz und anorectale Syndrome, Inkontinenz, Lumbalgie u. a. m. durch rechtzeitige Entspannungsübungen entweder zu vermeiden bzw. abzuschwächen.
Die Methode setzt voraus, dass die betroffene Person erlernt, sich selbst in einen entspannten Zustand zu versetzen und damit das jeweilige Schmerzproblem selbst zu kontrollieren. Die derzeit verfügbare Literatur in Form von Übersichten bestätigt ausreichend die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Methode (Schattauer, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-7945-2748-9). Wie einleitend erwähnt (siehe auch Beitrag Schmerzen wegdenken in diesem Heft), kann Autosuggestion schmerzmodulierend genutzt werden, Biofeedback kann dabei ein wertvolles Instrument zum Erlernen autosuggestiver Methoden sein.

ÖÄK-Diplom Spezielle Schmerztherapie

Bereits unter dem Präsidium von Prof. Dr. Rudolf Likar wurden greifbare Vorschläge für ein Ausbildungscurriculum in Schmerzmedizin vom Vorstand der Österreichischen Schmerzgesellschaft erarbeitet und unter dem Präsidium vom Prof. Dr. Michael Bach (2007-2009) mit der Österreichischen Ärztekammer endgültig ausverhandelt. Dieses Curriculum kann nach einem Ausbildungsumfang von 200 Stunden mit dem Diplom für Spezielle Schmerzmedizin abgeschlossen werden. Davon wären 80 Stunden Grundlagen mit 10 % Praxisanteil, 40 Stunden Theorie und Praxis mit je 50 % Anteil sowie 80 Stunden Praxisblock mit 10 % Theorieanteil.
Nahezu parallel dazu wurden an der Medizinischen Universität Wien unter Prof Dr. Burghard Gustorf und an der Donau-Universität Krems unter Prim. Dr. Peter Pauly und Prof. Dr. Wilfried Ilias spezielle akademische Kurse angeboten, welche mit dem Master of Science für Schmerzmedizin abgeschlossen werden konnten und für die gleichzeitig das Diplom für Spezielle Schmerzmedizin anerkannt wurde. Nachdem es immer schwieriger geworden ist, die Praxisanteile an entsprechenden Instituten unterzubringen, darf dringend empfohlen werden, bereits vor Beginn der Kurse bei den Veranstaltern von Diplomkursen eine verbindliche Sicherstellung der Praxisanteile in dazu berechtigten Schmerzabteilungen/Ambulanzen einzufordern. Ebenso sollte auch sichergestellt werden, dass der jeweils eingeforderte Zeitaufwand bzw. Stundenplan mit den persönlichen Verbindlichkeiten (Praxis oder Krankenhaus) in Einklang zu bringen ist. Details sind unter www.arztakademie.at/oeaeknbspdiplome-zertifikate-cpds/oeaek-spezialdiplome/spezielle-schmerztherapie oder www.oesg.at zu erfahren.

Schmerz von Kopf bis Fuß

Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prim. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Ilias, Msc. und in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Schmerzgesellschaft findet von 26. bis 28. Oktober 2012 im Grand Excelsior Hotel in Venedig die vierte internationale Fortbildungsveranstaltung unter dem Titel „Schmerz von Kopf bis Fuß“ statt.
Da Referenten aus England, Holland und Italien gewonnen werden konnten, wurde auf die Kongresssprache Englisch ausgewichen. Nach Neuerungen der diesjährigen Konferenz befragt, sagt Prof. Ilias: „Die gewählten Themen und Vortragenden sind wie immer weit gefächert und entsprechen der Vielfalt der Schmerzentitäten und therapeutischen Zugänge. Es wird diesmal auch Gelegenheit geben, mittels TED-System kollektiv gestellte Fragen beantworten zu können, um vorgetragene Inhalte zu vertiefen.“
Thematisch wird ein breiter Bogen gespannt von pharmakologischen Therapien, über genetische Prädispositionen, gynäkologische und neuropathische Schmerzen, Schmerzen bei Intensiv- und Palliativpatienten, invasive und minimalinvasive Eingriffe zur Schmerzreduktion, bis hin zu gesellschaftlichen Auswirkungen von Schmerz, Abhängigkeit und Schmerzmessung.
Der Rahmen der Tagung besticht schon durch den Veranstaltungsort, das berühmte Kongresshotel Grand Hotel Excelsior direkt am Strand des „Lido von Venedig“.

Wissenschaftliche Organisation: Prim. Univ. Prof. Dr. Wilfried Ilias Msc.

1. Wiener Privatklinik, Pelikangasse 15, 1090 Wien, iliasbhb@chello.at
Tagungsorganisation: Mondial Medica Reisebüro GmbH, Fr. Marina Grinberg
Währinger Gürtel 18-20 (im AKH), 1090 Wien, Tel.: +43 (0)1/402406-10, Fax DW -120
grinberg(at)mondial.at, www.mondial-medica.at/schmerz2012