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Ärztliche Fortbildung: Wissen als ethische Verpflichtung

Lebenslanges Lernen ist ein Credo in einer schnelllebigen Zeit. Doch als eine von ganz wenigen Berufsgruppen sind Ärzte auch per Gesetz zu kontinuierlicher Fortbildung verpflichtet, so lange sie ärztlich tätig sind.


Wer Fortbildungen für Ärzte koordiniert, muss auch dem steigenden Arbeitsdruck Rechnung tragen, der auf Medizinern im Spital wie in der Niederlassung lastet. Dr. Peter Niedermoser, Präsident des wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Akademie der Ärzte und Präsident der Ärztekammer für OÖ

Neben dem Selbstverständnis als Vertreter eines freien Berufs, erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten laufend zu aktualisieren, sind auch der rasant wachsende Erkenntnisgewinn und kurze Innovationszyklen in der Medizin sowie der internationale Standard und das öffentliche Interesse Gründe, warum gerade bei Ärzten die Fortbildung ein Dauerbrenner ist. Patienten und Öffentlichkeit setzen großes Vertrauen in das aktuelle Fachwissen und Können der Ärzteschaft bei der medizinischen Betreuung der Patienten.
1991 wurde in einer Befragung von 289 amerikanischen Internisten untersucht, wie sich deren medizinischer Kenntnisstand mit zunehmendem Abstand von der Facharztprüfung entwickelte. Es zeigte sich eine zunehmende Veraltung des Wissens und ein Defizit an aktuellem Wissen. Diese Tendenz war besonders ausgeprägt in innovationsintensiven Bereichen der Inneren Medizin. Die Untersuchung begründete die These von einer Halbwertzeit medizinischen Wissens in einer Größenordnung von fünf Jahren.*)
Die Verpflichtung zur kontinuierlichen fachlichen Fortbildung der Ärzteschaft ist auch im Ärztegesetz verankert (ÄrzteG § 49). Das ursprüngliche österreichische Konzept der Freiwilligkeit und der Qualitätssicherung der ärztlichen Fortbildung war auch für die internationale Ausgestaltung der Ärztefortbildung richtungsweisend. So hat die EACCME® (European Accreditation Council for Continuing Medical Education) auf europäischer Ebene Rahmenbedingungen entwickelt, die einen europäischen Qualitätsstandard für Ärztefortbildung schaffen sollen. Das gemeinsame Ziel ist es, internationale Fortbildungen automatisch in möglichst vielen Ländern der Europäischen Union anzuerkennen.

Individuelle Schwerpunktsetzung

Das Diplom-Fortbildungs-Programm der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK) gibt dem Arzt Orientierung über Umfang und Struktur seiner kontinuierlichen Fortbildung. Mit dem Fortbildungsdiplom (DFP-Diplom) der ÖÄK kann nachgewiesen werden, dass gemäß der „Verordnung über ärztliche Fortbildung“ an strukturierter, hochwertiger ärztlicher Fortbildung teilgenommen wurde. „Das DFP legt höchsten Wert auf selbstbestimmte Fortbildung und gibt dem Arzt den erforderlichen Raum für seine persönlich angestrebten fachlichen Schwerpunkte“, erklärt Dr. Peter Niedermoser, Präsident des wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Akademie der Ärzte und Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich.

Fortbildungsnachweis 2016

Alle Ärzte mit der Berechtigung zur selbstständigen Berufsausübung, die den Beruf aktiv ausüben, sind zum Fortbildungsnachweis verpflichtet. Mit dem Fortbildungsnachweis bestätigt ein Arzt, dass der gesetzlichen Fortbildungspflicht im vorgeschriebenen Umfang eines DFP-Diploms (siehe Kasten) nachgekommen wurde. Erstmals zum Stichtag 1. September 2016 wird überprüft, wer die Erfüllung nachweisen kann. Obwohl die Verpflichtung zur Fortbildung schon seit geraumer Zeit besteht, war diese bisher nicht an eine Nachweispflicht gebunden. Zudem wird jetzt auch die Erfüllung der Fortbildungspflicht niedergelassener Ärzte bei der Evaluierung der Arztpraxen durch die ÖQmed, Gesellschaft für Qualitätssicherung in der Medizin GmbH, überprüft.
Werden die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, so wird von der ÖAK eine angemessene Frist zum Nachweis der Fortbildungen gesetzt werden. Wer auch dieser Forderung nicht nachkommt, wird an den Disziplinarsenat der ÖAK gemeldet. Dieser entscheidet über das Ausmaß disziplinarrechtlicher Konsequenzen, die vom schriftlichen Verweis bis hin zu einem Berufsverbot reichen. Letzteres wäre durchaus denkbar, wenn ein Arzt beharrlich die Fortbildungspflicht nicht erfüllt.

Die optimale Vorbereitung

Auch wenn das Jahr 2016 mit dem Fortbildungsnachweis gefühlt noch in weiter Ferne liegt, ist es vorteilhaft, bereits jetzt die Dokumentation – online oder in Papierform – der Fortbildungen anzugehen. Einfach Fortbildungskonto auf www.meindfp.at eröffnen und die Daten eingeben. Unterstützung bietet dabei die im Jahr 2001 gegründete Österreichische Akademie der Ärzte, die als Serviceeinrichtung in ärztlichen Bildungsfragen zur Verfügung steht. Sie hat sich der Förderung und Weiterentwicklung der medizinischen Fortbildung in Österreich verschrieben und ist bemüht, die Erkenntnisse der internationalen Medizindidaktik im österreichischen ärztlichen Bildungssystem zu verankern. Ihr kommt vor allem eine koordinierende und betreuende Rolle im Rahmen des Diplom-Fortbildungsprogramms zu. „Wer Fortbildungen für Ärzte koordiniert, muss auch dem steigenden Arbeitsdruck Rechnung tragen, der auf Medizinern im Spital wie in der Niederlassung lastet. Zeit ist ein knappes Gut, daher müssen innovative Wege gefunden werden, wie die Diplom-Fortbildung dennoch in den Arbeitsalltag der Mediziner integriert werden kann“, so Niedermoser. Alle Informationen zu Fortbildungen können daher über die Website www.meindfp.at abgerufen werden.

Fortbildung per Mausklick

Seit 2007 steht das Online-Fortbildungskonto über die Plattform meindfp.at zur Verfügung, das auch bereits mehr als 33.000 Ärzte für die Dokumentation bis hin zum Diplomantrag nutzen. Nicht zuletzt die steigende User-Zahl zeigt, dass dieses Konto großen Nutzen und auch eine deutliche Erleichterung beim Fortbildungsnachweis bringt. Allein im Jahr 2014 erfolgte der Diplomantrag seitens der Ärzte zu etwa 85 % online über das individuelle Fortbildungskonto.
Auf einem elektronischen Fortbildungskonto werden die erworbenen Punkte nach Absolvierung der DFP-approbierten Fortbildung großteils automatisch aufgebucht. Über das Konto können auch weitere, absolvierte Fortbildungen (zum Beispiel internationale Kongresse) erfasst und Fortbildungspunkte durch Literaturstudium erworben werden. Die Beantragung eines DFP-Diploms kann ganz einfach per Mausklick erledigt werden.
Da die Österreichische Akademie der Ärzte auch Mitglied der europäischen Fachärzte-Vereinigung (UEMS) ist, ist bei den meisten Fortbildungen der Weg für eine wechselseitige Anerkennung ausländischer Fortbildungsangebote geebnet, vorausgesetzt die Qualitätskriterien sind erfüllt.
„Bereits drei Viertel aller österreichischen Ärzte haben ein Online-DFP-Konto eingerichtet und verwalten so ihre DFP-Punkte. Seit 2006 hat sich die Anzahl ausgestellter Diplome mehr als verdreifacht“, freut sich Niedermoser. Allein im Jahr 2014 wurden auf die Fortbildungskonten insgesamt mehr als 2,7 Millionen Fortbildungspunkte elektronisch gebucht. „Das entspricht rund 50 Stunden pro Arzt“, so der Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich.

Hohe Anforderungen an die Qualität

Eine der zentralen Aufgaben der Österreichischen Akademie der Ärzte ist die Qualitätssicherung. Anbieter ärztlicher Fortbildung müssen strenge Kriterien erfüllen und dürfen mit ihrem Fortbildungsangebot keine wirtschaftlichen Interessen Dritter verbinden. Für Niedermoser ist Fortbildung mehr als nur Punktesammeln: „Auch der informelle Austausch, für den es keine ‚Punkte‘ gibt, spielt eine wichtige Rolle. Dazu gehören beispielsweise Tumorboards oder Visiten. Aber auch die Ergebnisse eigener Forschungstätigkeit zu publizieren und an Fachtagungen im In- und Ausland teilzunehmen, dient dem Wissenserwerb. Fortbildung ist kein Selbstzweck, sondern zielt letztlich immer darauf ab, kranke Menschen bestmöglich zu heilen bzw. zu betreuen sowie Erkrankungen vorzubeugen. rh

*) Quelle: 2. Ramsey PG, Carline JD, Inui TS, Larson EB, LoGerfo JP, Norcini JJ et al. Changes over time in the knowledge base of practicing internists. JAMA. 1991;266:1103-7