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„Ärzte sind keine Hellseher“

Ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Gespräch steht im Mittelpunkt von Diagnose und Therapie. Dr. Stefan Höfer von der Universitätsklinik für Medizinische Psychologie an der Medizinischen Universität Innsbruck beschreibt Herausforderungen und Lösungswege.


Dr. Stefan Höfer

„Nichts ist so kompliziert, wie ein „richtiges“ Gespräch zu führen. Woran krankt es hier gerade im Gesundheitswesen?
Höfer: Oft wird der Zeitmangel als Grund dafür angeführt. Aber Zeit ist kein Qualitätskriterium für ein gutes Gespräch. Es kann auch eine lange Konversation wenig zielführend sein und umgekehrt kann ein kurzes, aber effektives Gespräch oft viel bewirken. Auch mangelt es den Ärzten keinesfalls an Fachwissen. Wir kennen es oft aus eigener Erfahrung: Wir sprechen sehr viel pro Tag und meinen, damit automatisch gut kommunizieren zu können. Doch es braucht mehr, als nur zu sprechen. Diese wichtige Erkenntnis ist erst in den letzten zehn Jahren intensiv in die Ausbildung von Medizinern eingeflossen.

Was ist das „Mehr“, das es für ein gutes Gespräch braucht?
Es ist hilfreich, eine klare Struktur zu haben. Der Arzt sollte wissen, worüber er mit seinem Patienten sprechen will, wie er das Gespräch aufbauen möchte, denn meist ist ein Beratungsgespräch kein spontanes Gespräch wie bei einer Anamnese. Selbst dafür gibt es Leitfäden. Wenn es um Befundbesprechungen oder Beratungsthemen geht, wie etwa die Veränderung des Lebensstils, ist es hilfreich, sich selbst einen Leitfaden auszuarbeiten.

Gibt es dafür hilfreiche Grundregeln?
Das Wichtigste ist, dem Gespräch eine Überschrift und Gliederung zu geben, zum Beispiel „Heute möchte ich mit Ihnen über die Ernährungsumstellung sprechen“. Dann werden etwa drei Unterprunkte definiert und klargestellt: „Dabei sind folgende drei Punkte wichtig... Punkt 1 ...“

Und wie sieht es mit Fragen des Patienten aus?
Der Arzt muss auf jeden Fall den Patienten zum Nachfragen anregen, etwa mit der Formulierung: „Wenn etwas unklar ist, fragen Sie mich bitte.“ Immerhin soll das Gespräch keine Einbahnstraße sein, wo nur einer spricht und der andere zuhört. Nur wenn man den Patienten auch einbindet, ist sichergestellt, dass er auch aktiv dabei ist. Ein Einstieg bei der Ernährungsumstellung könnte daher sein zu fragen „Wie ernähren Sie sich denn zurzeit?“. Damit kann der Patient seine Sichtweise, aber auch mögliche Ideen und Vorschläge einbringen. Fragen wie „Essen Sie Fleisch?“ sind zu vermeiden, denn dann kommt nur ein „Ja“ oder „Nein“.

Kann die Visualisierung von Themen helfen?
Auf jeden Fall. Es gibt zu vielen Themen Anschauungsmaterial, das ist erprobt und hilft zum leichteren Verständnis.

Nicht alle Patienten haben den gleichen Wissensstand, wie kann der Arzt damit umgehen?
Ein Arzt ist kein Hellseher und kann nicht erraten, was der Patient braucht. Daher ist der beste Weg, einfach nachzufragen, was der Patient über ein Thema schon weiß!

Ein häufiges Thema sind Lebensstiländerungen. Was ist so schwierig daran,
dieses Thema zu kommunizieren?
Es sind die überzogenen Erwartung an den Arzt, dass er in einem einmaligen Gespräch jahrelange Gewohnheiten umstoßen kann. Ein Verhalten zu ändern, ist ein langer Prozess, der nicht mit einem Satz erledigt ist. Dabei kann der sogenannte „health action process approach“, ein sozial-kognitives Prozessmodell des Gesundheitsverhaltens, helfen. Hier wird zwischen präintentionalen Motivationsprozessen und postintentionalen Volitionsprozessen unterschieden. In der motivationalen Phase steht die Zielsetzung im Vordergrund, die durch Risikowahrnehmung, Handlungsergebniserwartung und motivationale Selbstwirksamkeitserwartung beeinflusst wird. Danach folgt die volitionale Phase, in der es um die Verfolgung des Ziels geht. Kurz gesagt, der Patient muss unterstützt werden, seinen Willen auch in eine Handlung umzusetzen.

Ein zweites großes Thema ist das Überbringen schlechter Nachrichten. Haben Sie konkrete Tipps dazu?

  1. Machen Sie sich bewusst: Egal wie sehr Sie sich bemühen, eine schlechte Nachricht bestmöglich zu überbringen, daraus wird nie eine gute!
  2. Egal wie der Patient reagiert, ob wütend, stoisch, aggressiv, traurig – jede Reaktion ist okay. Es gibt keine richtige oder falsche Reaktion des Patienten. Nehmen Sie an, was kommt, und finden Sie heraus, was der individuelle Patient benötigt.

rh

Dr. Stefan Höfer, Univ.-Klinik für Medizinische Psychologie
Medizinische Universität Innsbruck
Tel.: 0512/504-26227
stefan.hoefer(at)i-med.ac.at