Äpfel sind eben keine Birnen
Kennzahlen und Betriebsvergleiche können helfen, die Leistungsfähigkeit der eigenen Ordination im Vergleich zum Mitbewerb zu beurteilen. Letztendlich geben sie auch Auskunft darüber, wie viel Ärzte im Schnitt verdienen.
Eines der vielen Tabuthemen, über die in Österreich, wenn überhaupt, dann nur hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird, ist das Einkommen. „Läuft’s?“ „Ja, danke gut!“ – so meist die kurze und bündige Konversation, wenn es um den wirtschaftlichen Lauf der Dinge geht. Keiner möchte gerne preisgeben, was er verdient, doch nur zu gerne würde man es ganz genau vom Kollegen wissen, um sich messen zu können – in puncto Know-how, Dienstjahre, Fortbildungen, Überstunden, Zusatzqualifikationen und schlussendlich an dem, was unter dem Strich Monat für Monat am Konto landet –, um sich dann zu fragen, ob das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag auch wirklich stimmt oder ob es Schwachstellen gibt, die es zu optimieren gilt.
Selbstbild und Fremdbilder
Unter dem Stichwort „Best Practice“, Benchmarking oder im weitesten Sinn Controlling ist in der Betriebswirtschaftslehre längst das eingezogen, was im Sport an der Tagesordnung steht: das Kräftemessen mit anderen. Daten über Personalkosten, Abschreibungen, Finanzierungskosten oder den Gewinn vor und nach Steuern werden gesammelt, ausgewertet und von vielen Seiten beleuchtet, um festzustellen, welchen Marktwert die eigene Position hat. Und das ist gut so, denn wer sich hier nicht einordnen kann, wird auch nicht merken, wenn etwas schiefläuft – oder erst dann, wenn es schon mehr als zu spät ist! Gerade bei der Führung eines Betriebes reicht es nämlich nicht aus, nur die eigenen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz pro Patient oder Personalkosten pro Patient zu kennen. Um wirklich zu wissen, wie eine Ordination läuft, brauchen Ärzte Daten und Fakten, die einen Vergleich auch wirklich möglich machen – und zwar einen zwischen Äpfeln und nicht einen zwischen Äpfeln und Birnen. Umgelegt auf eine Ordination heißt das, es müssen Betriebe ähnlicher Größe, mit ähnlicher Personalstruktur und vor allem gleicher Fachrichtungen für einen Vergleich herangezogen werden.
Diese sogenannten Benchmark-Analysen werden in der Regel von Banken und Wirtschafts- oder Steuerberatern gemacht, die einen guten Einblick in eine bestimmte Branche haben und auch über die notwendigen Daten verfügen. Oft werden dazu Ertrags- und Kostenaufzeichnungen von mehreren Hundert Ordinationen herangezogen und anonymisiert zu Mittelwerten aggregiert. „Achten Sie bei der Wahl des Beraters auf seine Marktexpertise, denn nur wer sich im Gesundheitsbereich wirklich auskennt und Erfahrung mit Ordinationsbetrieben hat, kann im Hinblick auf Kennzahlen auch sinnvolle Messgrößen vorgeben“, rät der Salzburger Steuerberater Dr. Michael A. Klinger, SFÄ-Steuerberatung für Ärzte. „Wir haben Jahresabschlüsse von Ärzten anonym in unsere Datenbank eingegeben. Die Datenbank wächst von Jahr zu Jahr und damit können wir immer präzisere Vergleiche liefern. Ordinationen können im Hinblick auf unterschiedliche Parameter verglichen werden, wie etwa bei Umsatz, Gewinn, Personalkosten, Praxisbedarf, Miete, Zinsen oder Schulden“, erklärt Klinger. Es nützt aber wenig, die Ordination eines Gynäkologen in der Stadt mit der eines Allgemeinmediziners auf dem Land zu vergleichen. Und nicht jedes Unternehmen hat eine idente Geschichte: Wurde bei dem einen viel investiert, renoviert oder aufgrund neuer Leistungen neues Personal eingestellt, hat sich bei dem anderen – etwa weil ein Wohnblock mit mehreren 100 Mietern nebenan errichtet wurde – das Einzugsgebiet plötzlich vervielfacht – und schon ist die Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben. Experten können hier helfen, die Basis herauszufinden und diese „Verzerrungen“ entsprechend zu bewerten.
Analysiert wird von Klinger etwa der Markt der Allgemeinmediziner mit und ohne Kassenvertrag oder dreizehn Fachärzte sowie Zahnmediziner. Am Ende steht bezogen auf die wichtigsten Kenngrößen wie Umsatz oder Personal ein einfaches Rot-Grün-Schema zur Verfügung, das auf einen Blick zeigt, ob Handlungsbedarf besteht oder nicht. Wichtig beim Lesen der Analysen ist, die eigene Situation nicht aus den Augen zu verlieren, denn es kann durchaus sein, dass außergewöhnliche Ereignisse die Ergebnisse bestimmter Beobachtungsperioden verfälscht haben – aber nur der Arzt selbst kann wissen, warum Abweichungen zu „Normordinationen“ vorliegen, ob sie tolerierbar sind und warum. „Bei der Auswahl und Umsetzung von Verbesserungspotenzial stehen wir natürlich beratend zur Seite“, so Klinger.
Zufriedene Patienten gesucht
Auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt – Benchmark-Analysen bestehen nicht nur aus einem trockenen Zahlenfriedhof, sondern beinhalten auch wichtige Qualitätskriterien in Richtung Patientenorientierung und Organisation, die mitunter auch herangezogen werden, wenn mit Banken über Finanzierungen verhandelt wird oder wenn es um die zunehmende Transparenz von Leistungen gegenüber den Patienten geht. Die vergleichende Analyse ist sowohl für Kassen- als auch Wahlärzte sinnvoll. Der Nachholbedarf ist nach wie vor groß, etwa bei der Frage, die richtige Betriebsgröße zu finden und der Kostenstruktur angepasste Entwicklungen vorzunehmen. „Wir unterstützen mit diesen Analysen Ärzte dabei, wirtschaftlich tragfähige Entscheidungen zu treffen oder mögliche Risiken vorherzusehen“, erklärt der Steuerberater.
Ziel jeder Unternehmensführung – auch einer Ordination – ist es, Gewinn zu machen und damit ein stabiles und nachhaltiges Wachstum zu sichern. Der Gewinn ist demnach eine Maßzahl, wie gut es einem Arzt gelungen ist, seine Ordination zu führen und wie wirtschaftlich erfolgreich im Team gearbeitet wird. Wird diese Gewinnkennzahl nun näher betrachtet, ergibt sich daraus eine Reihe weiterer Kennzahlen, die ein sehr klares Bild zeichnen, in welche Richtung das Ruder zu drehen ist, um auf Kurs zu bleiben.
So kann etwa der Gewinn in mehrere Perioden aufgesplittet werden und einen guten Vergleich zwischen Monaten oder Quartalen ermöglichen. Eine Reihe weiterer aufschlussreicher Aussagen lässt sich von Kennzahlen machen, die aus der Gewinn- und Verlustrechnung abzulesen sind. rh