25 Stunden sind genug
Ab sofort dürfen Ärzte am AKH Wien während der Woche nur mehr 25 Stunden am Stück arbeiten, denn mit September 2013 gilt ein neues Arbeitszeitmodell. Welche Verbesserungen die nunmehr umfangreichste KA-AZG Betriebsvereinbarung Österreichs beinhaltet und warum trotzdem noch einiges zu tun ist.

Dr. Thomas Perkmann, Vorsitzender des Betriebsrats für das wissenschaftliche und künstlerische Universitätspersonal
qNach intensiven sechsmonatigen Verhandlungen haben das Rektorat und der Betriebsrat der MedUni Wien mit Unterstützung der Ärztekammer Wien im Juli dieses Jahres eine neue Betriebsvereinbarung zum Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) unterzeichnet, die die Arbeitsbedingungen der an der MedUni Wien im klinischen Bereich des AKH Wien beschäftigten Ärzte verbessert.
Kern des neuen Modells ist die Verkürzung der höchstzulässigen durchgängigen Arbeitszeit bei verlängerten Diensten unter der Woche: Wurde bislang bis zu 32 Stunden Routinearbeit am Patienten geleistet, ist diese ab sofort auf 25 Stunden begrenzt. „Nach einem normalen Arbeitstag und einem 16-stündigen Journaldienst haben die Mediziner am nächsten Tag wieder bis 16 Uhr weitergearbeitet. Mit der neuen Regelung muss der Arzt nun aber spätestens um 9 Uhr des nächsten Tages die Arbeit am Patienten beenden. Wobei die eigentliche Dienstzeit 24 Stunden beträgt – die zusätzliche Stunde wird für die Übergabe benötigt“, erklärt Dr. Thomas Perkmann, Vorsitzender des Betriebsrats für das wissenschaftliche und künstlerische Universitätspersonal. „Nach den 25 Stunden kann bis zur 28. Stunde weitergearbeitet werden, sofern die letzten drei Stunden für Forschung und Lehre oder universitäre Verwaltungsaufgaben genutzt werden.“ Das neue Arbeitszeitmodell betrifft allerdings ausschließlich die verlängerten Dienste unter der Woche. Das heißt: Ärzte, die sich für den durchgehenden Wochenenddienst (Samstag 8 Uhr bis Montag 9 Uhr) entscheiden wollen, können dies auch weiterhin tun.
In jedem Fall wird die Arbeitszeit am Patienten begrenzt und im Gegenzug mehr Freiraum geboten – ob dieser für Freizeit oder Forschung und Lehre genutzt wird, bleibt jedem selbst überlassen. Wer aber nach 25 Stunden nach Hause geht, verzichtet auf die Kompensationszahlung, die für den Entgeltverlust aufgrund der nunmehr geringeren Stundenleistung eingeführt wurde. Immerhin war es eines der Hauptanliegen von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schütz, Rektor der MedUni Wien, dass der Anteil der universitären Aufgaben wieder steigt, sind doch die Ärzte am AKH nicht nur der Krankenversorgung verpflichtet: An sich sollten mindestens 30 Prozent der Arbeitszeit Wissenschaft und Lehre gewidmet werden. Die Realität schaue freilich anders aus, weiß Perkmann: „Manche Kollegen können fast gar keine universitären Aufgaben übernehmen. Und bei den Jüngeren ist es mittlerweile normal, dass sie ihre Freizeit dafür opfern, um zu forschen. Mit der neuen Regelung schaffen wir zwar nicht die 30 Prozent, aber ein paar mehr sollten es schon werden.“
Weitere Optimierungen
Abgesehen davon beinhaltet die neue Vereinbarung, die übrigens mit einer Laufzeit von sieben Jahren fast schon „revolutionär“ lang ist, weitere Optimierungen – unter anderem für Teilzeitmitarbeiter, deren Zahl sich auch innerhalb der Ärzteschaft im Steigen befindet. Die neuen Arbeitszeitregelungen tragen diesem Zeitgeist erstmals Rechnung: So konnte erreicht werden, dass nunmehr Teilzeitkräfte, unabhängig ob sie zehn, 20 oder 30 Stunden arbeiten, für alle Journaldienste gleich entlohnt werden wie Vollzeitmitarbeiter. Zudem komme es in manchen Abteilungen aufgrund des zu geringen Personalstands vor, so Perkmann, „dass Mitarbeiter in Teilzeit relativ häufig zu Journaldiensten herangezogen werden. Kollegen mit Kinderbetreuungspflichten, pflegebedürftigen Angehörigen und Ärzte über 50 können diese nun auf maximal drei pro Monat beschränken.“
Um zu verhindern, dass Mitarbeiter in Teilzeit „Gratisstunden“ leisten, da ihr Dienst beispielsweise um 13 Uhr endet, ihr Journaldienst jedoch erst um 16 Uhr beginnt, wurde Folgendes festgehalten: „Die Dienstpläne sind künftig derart zu gestalten, dass Teilzeitkräften entweder ein direkter Übergang ermöglicht wird oder, sofern das nicht machbar ist, dass sie in der Zwischenzeit normal bezahlt werden“, betont der Betriebsratsvorsitzende.
Wenngleich vonseiten des Rektorats das eine oder andere Auge zugedrückt werden musste, wurde das sogenannte Freizeitausgleichswahlmodell wieder eingeführt. So können sich die Ärzte auch weiterhin zwischen zwei Varianten hinsichtlich geleisteter Journaldienststunden entscheiden: Entweder sie lassen sich die ersten 80 bzw. 160 Journaldienststunden ausbezahlen oder sie konsumieren dafür zehn bzw. 20 Tage als Freizeit. Das Problem: Schon jetzt sitzt die MedUni auf einer beträchtlichen Summe an Rücklagen, die aufgrund angesammelter, aber noch nicht genutzter Freizeitausgleichsstunden gebildet werden mussten. Perkmann ist allerdings guter Dinge, dass sich das in Zukunft besser regeln lasse.
So weit, so gut ...
Was aber ist der Preis? Zum einen die Verständlichkeit, immerhin wurde aus der einst kürzesten und am wenigsten detailreichen KA-AZG Betriebsvereinbarung Österreichs die längste und komplexeste. Perkmann dazu: „Früher wurden alle gleich behandelt, daher waren die Texte leichter verständlich. Nun haben wir mehr Flexibilität und eine bessere Abstimmung auf individuelle Bedürfnisse, worunter aber die Verständlichkeit leidet. Das heißt: Die Vereinbarung ist gut, kann aber leicht missverstanden werden.“
Vor allem aber wird die Umsetzung nicht von heute auf morgen vonstatten gehen, nicht zuletzt weil das neue Arbeitszeitmodell einige Umstrukturierungen erfordert: Am AKH gibt es insgesamt 172 Journaldiensträder. Mit der neuen Regelung fehlen nun aber jene Ärzte, die wie bisher nach dem Journaldienst einen weiteren Arbeitstag drangehängt haben. Daher bedarf es Veränderungen im Hinblick auf die klinischen Leistungen – zum Beispiel Modelle zu Effizienzsteigerungen, Umstrukturierungen, Verlagerung bestimmter Leistungen –, schließlich ist das AKH nicht nur ein Universitätsspital, in dem Spitzenforschung betrieben wird, sondern stellt als größtes Krankenhaus Wiens auch die Versorgung von Routinefällen sicher. „Hier werden die einzelnen Klinikleiter nachbessern müssen“, konstatiert Perkmann.
Wenngleich die Veränderungen nicht zu einem Zusammenbruch des Klinikalltags führen werden, wurde mit dem Rektorat Folgendes vereinbart: Sind Umstrukturierungen zeitlich nicht so rasch umsetzbar oder grundsätzlich nicht durchführbar, muss umgeschichtet oder personell aufgestockt werden. „Veränderungen sind für niemanden leicht und unsere größte Sorge bestand darin, dass die organisatorischen Umstrukturierungen nicht zu meistern sind. Gleichzeitig war aber auch klar, dass wir uns nicht mehr bis zur Selbstaufgabe aufopfern können“, so Thomas Perkmann. Ob das neue Arbeitszeitmodell des AKH Wien eventuell sogar Vorbildwirkung haben könnte, wird sich zeigen.