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20 Jahre … und kein bisschen besser

Dass in Österreich medizinische Leistungen auf Top-Niveau erbracht werden, steht außer Zweifel. Dass das so bleiben soll, darüber sind sich alle einig. Strittig ist jedoch der Preis, den man für ebendiese Leistungen bezahlen will.


Inmitten dieser Schere zwischen öffentlichem Kostendruck und anhaltendem Ärztemangel stehen die Primarärzte der heimischen Spitäler. Der ärztliche Krankenhausbetrieb braucht dringend neue Lösungsansätze, um den Berufsalltag in den Krankenhäusern aufrechtzuhalten. „Das kann allerdings nicht mit Gehaltseinbußen für die Primarärzte und einem Ärztetransfer von Ost nach West erreicht werden“, meint Doz. Dr. Otto Traindl, Präsident des Verbands leitender Krankenhausärzte (VLKÖ).

Die langjährigen Forderungen von Ärztevertretern, Gesundheits- und Arbeitsrechtsexperten und letztlich der EU, die auf eine Reduktion an Höchst­arbeitszeit auf 48 Stunden zielen, sind bis 2021 an allen österreichischen Krankenhäusern umzusetzen. Diese Anpassung an den europäischen Durchschnitt  bedeutet aber für viele leitende Ärzte eine deutliche Reduktion an realem Einkommen und Verdienst. Im Vergleich zeigt sich, dass Mediziner im benachbarten Ausland generell deutlich besser bezahlt werden, geringere Arbeitsbelastung tragen und zum Teil sogar bessere Karrierechancen haben.
„Diese Tatsache macht es aus, dass fast ein Viertel der derzeit in Wien ausgebildeten Ärzte in Deutschland arbeitet“, erklärt Prof. Dr. Reinhart Waneck, ehemaliger Präsident des VLKÖ. „Insgesamt sind es knapp 2.500 österreichische Mediziner, die bereits in Deutschland arbeiten, weil Arbeitsbedingungen und Karrierechancen zumeist deutlich besser sind. Der Arztberuf im Krankenhaus kann und muss auch in unserem Land attraktiv genug sein, damit wir Kollegen mit deren Expertise halten und gewinnen können“, so Waneck. Zusätzlich gilt es als Tatsache, dass aufgrund der Alterspyramide künftig mehr Patienten vorhanden sein werden.

„Die nötigen medizinischen Anforderungen werden daher in den nächsten Jahren nicht weniger, sondern sogar mehr. Das bedeutet aber auch, dass der Verlust von ärztlicher Arbeitskraft durch eine Reduktion der ärztlichen Arbeitszeit ersetzt werden muss, um der steigenden Versorgungsnot zu entsprechen“, ergänzt Traindl.

Neue Perspektiven gefragt

Die Hauptursache der Abwanderung von vor allem jungen Kollegen ins benachbarte Ausland sieht Traindl in der aktuellen Aufgabenverteilung des Krankenhausbetriebes selbst.
„Wir reden seit 20 Jahren über die gleichen Probleme. Eigentlich wäre es relativ einfach, diese in den Griff zu bekommen, wenn man Mediziner auch Mediziner sein lässt, und zwar nach Verantwortungs- und Qualifikationsprofil. Arbeiten im nicht ärztlichen Bereich sollten nicht von Ärzten ausgeführt werden. Tätigkeiten wie zum Beispiel eine Infusion anzuhängen oder Blut abnehmen sind delegierbar. Wenn man diese Tätigkeiten nicht mehr von den Turnusärzten erbringen lassen würde, dann wären enorme Zeitressourcen verfügbar, sodass diese sich vermehrt ihrer Ausbildung widmen könnten. Turnusärzte sollten Tätigkeiten im Krankenhaus dort übernehmen, wo die nötigen Inputs für ihre Ausbildungsstandards hereinkommen – das heißt: Teilnahme an Visiten, Einschulung in Untersuchungsprozesse etc. Der derzeitige Zustand bedingt eine hohe Abwanderung junger Mediziner und Ärzte ins Ausland“, so Traindl.

Ärzteausbildung heißt in erster Linie Mediziner auszubilden

Seit Jahren haben wir in Österreich immer weniger Medizinstudenten und junge Ärzte. Das liegt einerseits daran, dass die Aufnahmezahlen beim Medizinstudium nicht mit dem tatsächlich benötigten Bedarf an Mediziner übereinstimmen, anderseits gibt es zudem auch eine hohe Abwanderungsrate von Jungärzten ins Ausland. Das hat zur Folge, dass die Wartelisten für Turnus- und Jungärzte in allen Bundesländern leer sind.

Die seitens der EU geforderte Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes (AZG) führt zu deutlicher Reduktion der ärztlichen Anwesenheit in den Spitälern. „Eine weitere personelle Ausdünnung wäre aber nicht verkraftbar. Diese Sparpolitik, die man betrieben hat, hat sich als absolut unrealistisch und realitätsfern herausgestellt“, so der Präsident des VLKÖ. Letztendlich geht es auch um Themen wie Kostenbeschränkungen und daraus entstehenden Ressourcenmangel. Um hier für alle Seiten zufriedenstellende Lösungen zu finden, müssten nach Ansicht des VLKÖ die Ärzte, vor allem die verantwortlichen leitenden Ärzte, stärker als bisher in Entscheidungsprozesse eingebunden werden.

„Wo dies geschieht, können häufig sinnvoll Kosten gespart werden, ohne dass Patienten darunter leiden“, so Traindl. Denn natürlich gebe es innerhalb der Spitalsstrukturen eine Reihe von Einsparmöglichkeiten. Als Beispiele nennt Traindl Organisationsoptimierungen oder auch zentrale Einkaufskooperationen. rh

Der VLKÖ

Der VLKÖ ist die Plattform leitender Ärzte im Gesundheitswesen. Sie hat engen Kontakt zu über 1.500 Ärzten in Führungsposition und vertritt deren Anliegen und Interessen. Eines der Hauptanliegen des Verbandes ist es, gesundheitspolitische Themen voranzutreiben, um neue, dringend benötigte Lösungsansätze für Probleme, mit denen sich Primarärzte im Berufsalltag konfrontiert sehen, zu diskutieren und so auch zu Verbesserungen beizutragen. Die Mitglieder des VLKÖ verfügen über hohe fachliche Expertise und Kompetenz hinsichtlich ihrer Organisation und über sehr gute Kenntnis des österreichischen Gesundheitswesens. Damit stellt der Verband eine informative Plattform von Primar- und OberärztInnen dar. Durch die enge Zusammenarbeit mit allen wichtigen medizinischen Fakultäten, Akademien und Gesundheitsinstitutionen hat der Verband einen weitreichenden Einblick in das ärztliche Gesundheitswesen der Krankenhäuser und arbeitet stets auch an einer soliden Zusammenarbeit mit der niedergelassen Kollegenschaft.
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